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Sonntag, 29. Mai 2011

Rezension zu "Die Auswahl" von Ally Condie



Verlag: Fischer FJB (Januar 2011)
Reihe: Band 1/3, ab ca. 14-17 J.
Ausführung: Hardcover, 452 S.
ISBN: 978-3841421197
16,95 € [D]

Genre: Dystopie


Klappentext
Das System sagt, wen du lieben sollst - aber was sagt dein Herz?
Stell dir vor, du lebst in einer Welt, die ein absolut sicheres Leben garantiert. Doch dafür musst du dich den Gesetzen des Systems beugen: den Menschen lieben, der für dich ausgewählt wird.
Was würdest du tun? Für die wahre Liebe dein Leben riskieren?

Für die 17-jährige Cassia ist heute der wichtigste Tag ihres Leben: Sie erfährt, wen sie mit 21 heiraten wird. Doch das Ergebnis überrascht alle: Xander, Cassias bester Freund, ist als ihr Partner vom System ausgewählt worden. Als jedoch, offenbar wegen eines technischen Defekts, das Bild eines anderen Jungen auf dem feierlich überreichten Microchip auftaucht, wird Cassia misstrauisch. Kann das System wirklich entscheiden, wen sie lieben soll? (Text- und Bildquelle: Fischer FJB)

Über die Autorin
Ally Condie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Salt Lake City, USA. Nach ihrem Studium unterrichtete sie mehrere Jahre lang Englische Literatur in New York, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Ihre Romane um "Cassia & Ky" werden in mehr als 25 Sprachen übersetzt und sind große internationale Bestseller.

Rezension

Der erste Satz: Jetzt, wo ich herausgefunden habe, wie ich fliegen kann, welche Richtung soll ich da nehmen hinaus in die Nacht?

Cassia ist 17 Jahre alt und wohnt in Oria, einem Bezirk in den inneren Gebieten des Landes. Sie hat sich dafür entschieden sich zur Paarung zu melden, und nicht als Single alt zu werden. An diesem Tag findet ihr Paarungsbankett statt, und sie sieht zum ersten mal den Jungen, den sie mit 21 heiraten wird. Ihren perfekten Partner, der nach einem perfekten Auswahlverfahren von der 'Gesellschaft' (Überbegriff für Regierungs- und Kontrollsystem) bestimmt worden ist. Cassia und alle Menschen in der Stadthalle sind sehr erstaunt, als Xander, Cassias bester Freund, als ihr bestimmter Partner genannt wird. Normalerweise kommt es nicht vor, dass die neu gepaarten Partner sich schon kennen.
Sie weiß zwar schon alles über ihren Partner, möchte sich aber zu Hause nochmals die Informationen zu ihm und auch die Verhaltensregeln anschauen. Als sie den Microchip, den sie zur Paarung erhalten hat, in das Termial schiebt, verschwindet Xanders Bild und für einen Augenblick erscheint das Bild von Ky, einem Jungen aus der Nachbarschaft, den Cassia auch kennt.

Da fast alle Vorgänge des Landes kontrolliert werden, erfahren die Funktionäre der Gesellschaft natürlich von dem falschen Bild. In einem vertraulichen Gespräch, teilt eine Funktionärin Cassia mit, dass dies wohl ein Fehler gewesen ist, dass Ky nicht der errechnete, ideale Partner für Cassia sein kann. Ky ist eine Aberration, ein Mensch der nach unten klassifiziert wurde, weil er (in diesem Fall der Vater von Ky) ein schwerwiegendes Vergehen begangen hat. Aberrationen stehen nur eine Stufe über den Anomalien (behinderten Menschen), die aus der Gesellschaft ausgesondert werden. Menschen, die den Status einer Aberration haben, dürfen nicht den Wunsch äußern, in den Paarungspool aufgenommen zu werden, da schlechte Gene nicht weitergegeben werden sollen. Darum ist es unmöglich, dass Ky der perfekte Partner für Cassia sein soll.
Zuerst ist sie erleichtert, dass sie weiterhin glücklich mit Xander sein kann. Doch als sie und Ky sich für die gleiche Sommeraktivität, das Wandern, eintragen, lernen sich die beiden besser kennen. Cassia erfährt immer mehr von Kys schrecklicher Geschichte und stellt bald das ganze Gesellschaftssystem in Frage...

Im ersten Drittel des Buches gelingt es der Autorin perfekt, dem Leser die Welt vorzuführen, in der Cassia lebt. Und diese ist furchtbar! So gibt es kein Kapitel, wo man nicht schreckliche Dinge über die Gesellschaft erfährt. Man ertappt sich ständig bei dem Gedanken, wie entsetzlich es wäre, so kontrolliert zu werden und fast keine eigenen Entscheidungen treffen zu können.

Sie haben die Kunst perfektioniert, uns gerade genug Freiheiten zu lassen; gerade so viel, dass sie uns dann, wenn wir bereit sind zuzubeißen, einen kleinen Knochen hinwerfen können. - S. 309

Was ist das für eine schreckliche Welt, in der die Müllverbrennungsanlage eines jeden Hauses registriert, was verbrennt wird, um die Bewohner zu kontrollieren? Was sind das für unhaltbare Zustände, wenn alle Bewohner eine Pillendose mit einer blauen, grünen und roten Tablette mit sich tragen müssen, und auf Befehl die rote Tablette schlucken müssen, um Misstände zu vergessen? Wie kann man sich eine Welt auch nur vorstellen, in der für einen entschieden wird, was man zu Essen bekommt, weil dies über die übermittelten Daten vom Laufband (öffentliches rennen/joggen ist verboten) festgesetzt wird? Welche kranke Regierung entscheidet, dass auf Grund einer "Übersättigung" der Menschen nur jeweils 100 Lieder, 100 Gedichte und 100 Gemälde behalten und alle anderen vernichtet werden?

Die Liste der schrecklichen Zustände, die dem Leser einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagen, könnte man fortsetzten. Sie erreicht ihren Höhepunkt dann, wenn einem klar wird, dass in dieser Gesellschaft Menschen mit 80 Jahren sterben (müssen), weil laut Studien, dies das beste Alter zum Sterben ist.

Heute ist Sonntag. Heute wird Großvater achtzig Jahre alt, und deswegen wird er heute Abend sterben. - S. 86

Dass das nicht freiwillig geschieht, bzw. wie einfach die Gesellschaft über Leben und Tod entscheidet, klärt sich während des Lesens auf. Und spätestens jetzt, hat jeder Leser einen dicken Klos im Hals und ist über die Umstände, in denen die Menschen im Roman leben, mehr als schockiert!

Erwartet der Leser laut Klappentext einen romantischen Science-Fiction Roman, so wird ihm schnell klar, dass bei "Die Auswahl" mehr dahinter steckt. Wer seinen Fokus auf die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Cassia und Ky richtet, wird enttäuscht werden. Die Liebesbeziehung der beiden Hauptpersonen findet nur auf ganz sachter Ebene statt. Eine Berührung zwischen ihnen ist, bis weit ins hintere Drittel des Romans, das höchste der Gefühle. Ein flüchtiger Kuss auf die Wange, erst um Seite 320, kann den ambitionierten Romantasy-Leser nicht befriedigen. Die Gefühle zwischen Cassia und Ky entwickeln sich eher, weil sie erkennen, dass sie beide mit ihrer Lebendsituation nicht zufrieden sind, diese hinterfragen und im jeweils anderen eine Person gefunden zu haben, der sie vertrauen und die sie versteht.
Beide, aber vor allem Cassia, machen im Verlauf der Geschichte eine sichtbare Wandlung durch. Sie wird stärker und rebelliert (zuerst einmal nur innerlich) gegen das System.

Ja, inzwischen will ich alles. Mehr und mehr und mehr. Ich möchte mir meine Arbeitsstelle aussuchen, Heiraten, wen ich will. Kuchen zum Frühstück essen und auf einer echten Straße anstatt auf einem Laufband trainieren. Schnell laufen, wann ich es will, und langsamer werden, wann ich es will. Entscheiden, welche Gedichte ich lese und welche Wörter ich schreiben will. Es gibt so vieles, was ich will! - S. 374

Cassia wird sehr sympathisch dargestellt, wirkt aber anfangs etwas kraftlos. Nach einer entscheidenden Szene im Buch und einem damit verbundenen Versprechen von ihr, traut man ihr nicht so richtig zu, dass sie dieses erfüllen kann. Doch hält man sich ihre furchtbaren Lebensumstände vor Augen, ist ihr schüchternes, kraftloses Verhalten durchaus nachvollziehbar. Doch zeigt sich durchaus eine Charakterentwicklung, die man gerne weiterverfolgen will.
Ky wirkt sehr verschlossen und zurückhaltend. Er kommt erst etwas aus sich heraus, als sich zwischen ihm und Cassia ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Doch sobald man einen Teil seiner Geschichte kennt, wird auch sein Verhalten klar.
Alle Nebenpersonen sind ausreichend gut charakterisiert und sorgen für manche überraschende Sympathien (Cassias Eltern) oder stärkste Antipathie (diverse Funktionäre).

Die Geschichte wird in der Ich-Form von Cassia erzählt. Sie liest sich einfach und flüssig, doch hat sie auch, gerade in der Mitte des Buches, einige Längen. Erst in einem entscheidenden Kapitel gegen Ende entwickelt der Roman eine gewisse Dramatik. Diese bleibt aber nur in diesem einen Kapitel enthalten und verläuft sich in den abschließenden Kapiteln wieder.
Das Ende ist offen und lässt einen die Fortsetzung mit Spannung erwarten. In jedem Fall hat der Roman den Weg für eine spannende Weiterführung der Geschichte perfekt geebnet.

Persönliches Fazit
Ich muss zugeben, dass mich die Geschichte sehr mitgenommen hat. Das Cover wirkt so leicht, etwas verträumt, fast wie eine Seifenblase. Doch die Geschichte hat es wirklich in sich. Cassia lebt in einer geschaffenen Blase und es scheint unmöglich, dass sie jemals daraus entkommt. Vor allem Dinge, wie das forcierte Sterben von alten Menschen, oder die Klassifizierung mancher Menschen in Aberrationen oder gar Anomalien hat mich richtig geschockt.
Vom Klappentext habe auch ich eine futuristische Love-Story erwartet. Oberflächlich muss ich zugeben, dass die Geschichte mir zu wenig Love und zu viel Story war. Aber objektiv sehe ich einen Roman, der komplett ohne Kitsch berührt. Die Fortsetzung werde ich auf jeden Fall lesen. Auch wenn ich zwischen 4 Sternen (empfehlenswert) und 5 Sternen (großartig) schwanke, so entscheide ich mich, wegen einiger Längen in der Mitte und der mir zu sachten Love-Story, für 4 gute Sterne!


Handlung: 4 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5

© Damaris Metzger, www.damarisliest.de



Reiheninfo Cassia & Ky Trilogie:

1. Die Auswahl (engl. Matched)
2. Die Flucht (engl. Crossed)
3. Die Ankunft (engl. Reached)