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Mittwoch, 7. April 2021

"Marilu" von Tania Witte



Das Thema
"Wenn ich ES jemals tue, geb ich dir die Kette zurück, Elli", hatte Marilu geschworen.

Zwei Jahre später freut sich Elli auf ihren Schulabschluss und hat sowohl Marilu als auch den Schwur vergessen. Doch dann findet sie die Kette in der Post. Der beiliegende Brief ist ein Hilferuf – und der Startschuss zu einem fiebrigen Roadtrip. Die Spur, die Marilu gelegt hat, bringt Elli und Marilus Bruder Lasse an ihre Grenzen. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt und allen wird klar: Marilu testet das Leben. Und Elli muss dafür sorgen, dass das Leben diesen Test besteht.

© Klappentext-, Cover- und Zitatrechte: Arena Verlag


Und dieser Abend, der den Endpunkt der intensivsten, schlimmsten, wunderbarsten Zeit meines Lebens markierte, durfte keine tragische Erinnerung werden. Auf keinen Fall.
[...] Sie strahlte zu mir hoch, einen halben Kopf ungefähr, nicht, weil ich besonders groß, sondern weil sie ziemlich klein war. Ich legte ihr die Hand auf die Wange, streichelte sie kurz und gab ihr dann einen Klaps.
Wag es nicht, hieß das.
Ich hätte schwören können, dass Marilu verstanden hatte.
Hatte sie nicht. - S. 16/17


Das Leseerlebnis
Tania Wittes Roman "Marilu" hatte sofort meine Aufmerksamkeit. Uiii, krass ... dachte ich bei der Buchbeschreibung. Uiii, krass ... dachte ich beim Lesen. In der Geschichte geht es, unter anderem, um psychische Erkrankungen. Darum finden interessierte Leser*innen auch einen Hinweis im Buch, um sie auf die Thematik vorzubereiten. Triggerwarnungen können einen überraschendes Leseerlebnis verhindern. Jedoch bin ich selbst nicht betroffen, kann also nur vermuten, wie betroffene Menschen hier empfinden. Darum sind solche Hinweise bei bestimmten Themen vor dem Lesen wichtig. "Marilu" hat mir während des Lesens eine Vielzahl an Gefühlen beschert. Ich empfand Ärger und Sorge, aber auch Verständnis. Die Geschichte hat mich ganz schön durchgeschüttelt und damit ihr Ziel vollumfänglich erreicht.

Elli und Marilu haben eine Zeit gemeinsam in der Psychiatrie verbracht. Zum Abschied schenkte Elli Marilu eine Kette mit Anhänger, die ihr viel bedeutete. Zwei Jahre später schickt Marilu diese Kette an Elli zurück, mit dem Hinweis, dass sie ihr Leben testen möchten, um am Ende zu entscheiden, ob es tatsächlich noch lebenswert ist. Um ihr bei dieser Entscheidung zu helfen, müssen sich Elli und Marilus Bruder Lasse auf ein Spiel, eine Art Schnitzeljagd, einlassen. Beide haben keine Ahnung, wie sehr sie Marilus Lebenstest an ihre Grenzen bringen wird. Gibt es überhaupt die Chance, Marilu zu erreichen?

"Marilu" packt ab den ersten Seiten. Auf diesen geht es zwar auch um das polarisierende Thema des Buchs, vielmehr aber um eine eindringliche Gefühlsebene, der ich mich nicht entziehen konnte und wollte. Die Geschichte handelt von Marilu. Klar, das sagt ja schon der Titel. Aber sie handelt auch von Elli, die ich als die eigentliche Hauptperson wahrnahm. Denn Ellis Vergangenheit (mit Marilu) und die Situation, in der sie nun steckt, sind ständig präsent. Schließlich wird sie von Marilu zu einem Abenteuer-Schnitzeljagd-Roadtrip "gezwungen", den sie sich selbst nie ausgesucht hätte, der sie (und Begleiter Lasse) an Grenzen bringt und dessen Ausgang ungewiss ist. Ich war erschrocken, wütend und traurig ... aber auch verständnisvoll. Die Autorin hat es geschafft, dass ich in diesem Fall verstehe, was hinter einer psychischen Krankheit steckt, dass ich Handeln nachvollziehen kann und frei werde von Verurteilungen.

Und so kommt es, dass die Geschichte bis zum Schluss nicht loslässt. Dafür sorgt zum einen eine permanente (An)Spannung und Intensität, mit vielen Herausforderungen, aber auch Feingefühl, zum anderen eine lebensbejahende Leichtigkeit, die ein feiner Humor unterstützt. Mit dem Ende fühlt man sich gut, obwohl es weit entfernt ist von einem Friede-Freude-Eierkuchen-Schluss. Etwas anderes wäre an der Realität vorbeigeschrammt. Es ist genau richtig so.

Das Fazit
Bücher wie "Marilu" sind der Grund, warum ich als erwachsene Leserin am liebsten Jugendbücher lese. Die Geschichte ist herrlich-gut ausgeführt. Sie ist erschreckend und einfühlsam, und es gehört viel Mut dazu, ein solches Buch zu schreiben (und es zu lesen!). Meiner Meinung nach ist das Thema perfekt wiedergeben, bzw. recherchiert, und besitzt bei aller Tragik einen feinen Humor und die Intensität, die es verdient. Im Grunde ist "Marilu" eine Hommage an das Leben, in dem es gar nicht so sehr darum geht, anzukommen. Viel wichtiger ist es zu laufen. Große Klasse! 5 von 5 Sterne gibt es von mir.


© Damaris Metzger, www.damarisliest.de


Arena Verlag (März 2021) - Klappenbroschur, 288 Seiten - 15,00 € [D]
- ab 14 Jahren