Dieser All Age- und Jugendbuchblog wurde beendet. Schau dich jedoch gerne um! Infos dazu gibt es HIER.

Montag, 5. November 2012

Rezension zu "Der letzte Engel" von Zoran Drvenkar



Verlag: cbj (Oktober 2012)
Originaltitel: -
Übersetzer: -
Reihe: Band 1/2, ab ca. 14 J.
Ausführung: Hardcover/SU, 432 S.
ISBN: 978-3570154595
16,99 € [D]

Genre: Urban Fantasy-Thriller

© Cover- und Zitatrechte: cbj Verlag


Das Thema
Motte ist 16 Jahre alt und lebt mit seinem Vater in Berlin. Eines Abends bekommt er eine E-Mail, die ihm mitteilt, dass er tot sein wird, sobald er einschläft. Motte kann darüber zwar im ersten Moment nur lachen, mulmige Gedanken machen sich aber trotzdem in seinem Kopf breit. Er beschließt die Nacht durchzumachen. Er schafft es nicht, schläft in den frühen Morgenstunden ein ... und erwacht als der letzte Engel.
Wie es dazu kam ahnt Motte nicht. Es hat mit seiner Vergangenheit zu tun. Ein gewisser Personenkreis wird alles dransetzen, um den letzten Engel zu jagen und zu töten.

Die Rezension

Der Anfang: Und dann halten sie an einer Tankstelle.

Immer wieder greift man zu einem Buch, bei dem die Erwartungen von Anfang an hoch sind. So wird es auch bei "Der letzte Engel" sein, dem neuesten Buch von Jugendliteraturpreisgewinner Zoran Drvenkar. Selbst wenn man noch kein Buch von ihm gelesen hat, ist dieser Autor den meisten passionierten Lesern ein Begriff. Bücher wie "Sorry", "Du" oder auch "Sag mir, was du siehst" haben viel Beachtung und Preise erhalten.
WAS einen aber dann bei "Der letzte Engel" erwartet, kann man einfach im Voraus nicht einschätzen. Eines ist sicher; es wird eines der ungewöhnlichsten Bücher, die man bis dato gelesen hat.

Das ist schon kein absurdes Theater mehr, denkt er, das ist eine andere Realität. - S. 113

Die erste Besonderheit sind die vielen verschiedenen Perspektiven, aus denen der Autor Mottes Geschichte erzählt. Das mag jetzt nicht total ungewöhnlich erscheinen, denn Bücher aus der Sicht mehrerer Personen gibt es viele. Hier sind es aber tatsächlich etliche (bei 15 hat die Rezensentin aufgehört zu zählen!). Es gibt Charaktere, die immer wieder auftauchen, den Leser durch das ganze Buch begleiten und solche, die tatsächlich nur einen Absatz- oder 2-Seiten-Auftritt haben. Für die Wirkung der Geschichte sind sie aber ebenso wichtig, wie die Personen, die mehr Raum einnehmen. Erstaunlich ist auch die Tiefe, mit der jeder einzelne Charakter ausgestattet ist, egal wie oft dieser in der Geschichte vorkommt.

Ist es bei dieser Fülle von handelnden Personen nicht schwierig am Ball zu bleiben? Nein. Jeder Charakter bildet zwar einen losen Geschichtsfaden, der Autor präsentiert dem Leser aber immer wieder Zwischenauflösungen, anstelle einer einzigen großen Schlusslösung. Darum kann man der Handlung das ganze Buch über gut folgen. Möglich machen das auch die verschiedenen Erzählformen, die in "Der letzte Engel" verwendet werden. Im Nachhinein betrachtet ist schon das alleine ein Kunststück. "Warum sich mit einer oder zwei Erzählformen zufrieden geben, wenn man alle haben kann?"- genau so scheint es auch Zoran Drvenkar gesehen zu haben ... und verwendet darum tatsächlich einen Großteil (wenn nicht alle) der in der Literatur verwendeten Stile. Diese bleiben immer dem jeweiligen Charakter zugeordnet. Es gibt Parts im Ich-Stil, mit einem personalen, sowie einem auktorialen (allwissenden) Erzähler. Dann noch einen Charakter, bei dem der Leser direkt mit Du angesprochen wird, so als würde er selbst das Erzählte erleben.
Und weil das noch immer nicht ausreicht, wechselt der Autor zusätzlich noch zwischen dem Präsens und Präteritum hin und her. Man sieht schon, das ist definitiv ungewöhnlich, aber TOTAL gut!!

"Der letzte Engel" ist kein Mal-eben-nebenbei-Buch. Man sollte die Geschichte konzentriert lesen, sie geht tief und holt weit aus, hat teilweise mafiaähnliche Strukturen. Es ist auch klar, dass das Buch nicht den Mainstreamgeschmack der jugendlichen Romantasy-Leserschaft treffen wird. Hier unterscheidet es sich wie Feuer und Wasser. Im Allgemeinen bleibt fraglich, ob man es überhaupt als Jugendbuch ansehen kann. Einige Parts sind sehr hart, blutig oder besonders schaurig-gruselig. Entgegen aller Erwartungen ist zwar Motte die Hauptperson, es ist seine Geschichte, aber nur indirekt. Es wird so viel um Motte herum erzählt, dass er im Buch tatsächlich nur wenige Auftritte hat. Bei ihm läuft am Buchende dann alles zusammen.

Das Buch wurde mitten im Trend der paranormalen Wesen veröffentlicht, bei denen auch Engel eine große Rolle spielen. Bei "Der letzte Engel" haben die Engel aber nichts (wirklich gar nichts) mit Religion zu tun. Das erscheint fast unmöglich, weil man mit Engeln unbewusst immer den Himmel, Gottes Helfer oder auch Gegenspieler, die gefallenen Engel, verbindet. In Mottes Engelsgeschichte erhält man zwar einen Einblick was Engel hier darstellen, einige Fragen bleiben am Ende aber noch offen. Zu diesem Zeitpunkt ist man so in der Geschichte gefangen, dass man direkt weiterlesen könnte. Ein Hinweis auf eine Fortsetzung der Geschichte erfolgt zum Schluss.

Das persönliche Fazit
"Der letzte Engel" hat bei mir eingeschlagen wie eine Bombe! Ich habe stilistisch noch nichts Vergleichbares gelesen. Auch ich muss zugeben, dass ich vom Buch eine andere Richtung erwartet hätte, und die wenigen Parts in denen Motte auch tatsächlich vorkam waren mir die liebsten. Am Ende fügt sich alles schlüssig zusammen, auf eine komplette Klärung wird hier aber noch verzichtet. Die Fortsetzung ist unabdingbar. Irritiert war ich nie - fasziniert trifft es hier ziemlich genau. Teilweise war ich regelrecht sprachlos (mir blieb oft nicht nur sprichwörtlich der Mund offen stehen) und ziemlich baff. Der Schreibstil gehört für mich zu den besten dieser Zeit. "Der letzte Engel" hat mich förmlich eingesogen und ist für mich ein großartiges Gesamt(kunst!)werk. 5 Sterne - Daumen hoch!



Handlung: 4,5 / 5
Charaktere: 4,5 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5

© Damaris Metzger, www.damarisliest.de



Reiheninfo Der letzte Engel-Dilogie

Band 1 - "Der letzte Engel"