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Sonntag, 13. Mai 2018

"Der Schein" von Ella Blix



Das Thema
Alina ist neu auf dem Internat Hoge Zand auf der kleinen Ostseeinsel Griffiun. Eines Nachts sieht Alina aus einem der Turmzimmer ein dunkles Schiff am Horizont, das seltsame Blitze über das angrenzende Naturschutzgebiet schießt. Auf der Suche nach Antworten trifft sie in den Dünen auf Tinka, der sie sich sofort auf unheimliche Weise verbunden fühlt. Das Mädchen mit der seltsamen Ausrüstung weiß viel mehr, als sie wissen dürfte und verschwindet immer wieder spurlos. Als Alina mit Hilfe der Lonelies, ihrer neuen Freundes-Clique, versucht, den Rätseln der kleinen Insel auf die Spur zu kommen, macht sie eine Entdeckung, die alles in Frage stellt, was sie jemals für wahr gehalten hat ...

© Klappentext-, Cover- und Zitatrechte: Arena Verlag


Vielleicht hätten wir auf die Vögel achten sollen. Auf das Knarzen der Lachmöwen, das Quietschen der Sturmmöwen, das Kreischen der Silbermöwen um uns, denn irgendwann musste es verstummt sein. Ja, es musste diesen einen Moment gegeben haben, adn dem es still geworden war, gespenstisch still. In dem jemand auf Pause gedrückt hatte und das Meer in der Bewegung eingefroroen war - ein Spiegel des erstarrten bleigrauen Himmels über uns.
Aber wir merkten nichts. Wir redeten, lachten, bliesen in den Tee und sahen nicht, wie die Möwen den Himmel verließen.
- S. 386


Das Leseerlebnis
Ella Blix - cooler Autorenname, dachte ich sofort. Tatsächlich ist es aber das Pseudonym gleich zweier Autorinnen. "Der Schein" ist das erste gemeinsame Buch von Antje Wagner und Tania Witte und hat mich schon alleine wegen des ungewöhnlichen gold-schwarzen Covers neugierig gemacht. (Eine kleine Randbemerkung: Die Kringel hinter dem Mädchen bilden das Wort Schein. Das habe ich erst nach dem Lesen erkannt. Komisch, zuvor waren es für mich einfach nur Verschwurbelungen.) Ich weiß nicht, ob sich die beiden Autorinnen gesucht haben, gefunden haben sie sich mit diesem Buch auf jeden Fall. Es ist nicht nur äußerst mysteriös und "nicht ganz von dieser Welt", sondern so vereinnahmend und mitreißend, dass man es bis zum Schluss kaum zur Seite legen kann.

Dabei hatte ich das Buch zuerst falsch eingeschätzt. Das lag an Hauptprotagonistin Alina, die es mir ab Beginn nicht leicht machte. Ich empfand sie zwar als relativ eigenständig und auch lustig, aber vor allem als kleingeistig/intolerant, schlecht gelaunt und, ganz schlimm, ihr Schubladendenken ging mal gar nicht. Das hatte für mich null Vorbildcharakter, und ich dachte sogar kurz, dass es doch nicht sein kann, dass Autorinnen heute noch solch ein Weltbild vermitteln. Doch es kommt definitiv anders. Es ist ein Hintergrundthema der Geschichte, dass Schubladendenken eben nicht förderlich ist und Vorurteile eher schaden als nützen. Alina lernt aus ihren Fehlern, ändert ihre Sichtweise und ihr Verhalten anderen gegenüber. Damit ist "Der Schein" eines dieser (Jugend)-Bücher, die für Vielfalt stehen und von denen es noch viel mehr geben sollte.

Abgesehen davon, und ganz unabhängig von meiner anfänglichen Skepsis, kam ich ab Beginn kaum von den Seiten los. Die Geschichte ist so spannend und mitreißend! Atmosphäre und Schauplatz sind top. Die Gruppe aus verschiedenen Internatsschülern, die Alina bei ihren mysteriösen Erlebnissen begleitet, das alles wurde wunderbar kombiniert. Außerdem ist die Sprache sehr gut, dicht-verspielt und manchmal sogar etwas poetisch. Mir ist völlig schleierhaft, wie man so etwas als Schreibduo hinbekommen kann. Sehr klasse! Das Buch liest sich wie ein unheimlicher Mysteryroman. Ich war permanent am Rätselraten, was es mit den Ereignissen denn nun auf sich hat.
Einzig Alinas Gedanken sind manchmal leicht ausschweifend, dafür aber sensibel erzählt. Ihr zuhausegebliebener Freund wäre meines Empfindens nicht unbedingt notwendig für die Handlung gewesen. Dafür hat die Geschichte keine gängige Lovestory, die über allem steht. Sehr gut! Der Fokus liegt auf Alinas Familiengeschichte.

Ohne zu viel zu verraten - ich hatte es irgendwann auch vermutet -, geht die zeitgenössische Handlung über ins Genre Science Fiction. Super gemacht, denn eine andere Lösung schien mir, bei all den versteckten Hinweisen und außergewöhnlichen Elementen, unmöglich, wäre mir sogar albern vorgekommen. So passte es perfekt. Der Schluss hielt für mich ein Aha-Erlebnis, bezüglich des Buchtitels breit. Sozusagen als besonderen Bonus. "Der Schein" endet zufriedenstellend, aber fast auch ein bisschen traurig. Ich fand's super!

Das Fazit
"Der Schein" hat ein glänzend schönes Cover. Damit ist das Buch ein ungewöhnlicher Blickfang, der meine Erwartungen in einen spannenden Mystery-Roman schürte, mich dann anfangs aber fast auf eine falsche Fährte führte. Aber nur fast, denn das Buch ist toll! Es IST spannend, SEHR mysteriös und ziemlich cool-abgefahren. Dazu liest es sich so fesselnd und vielfältig, dass man es ein einem Rutsch verschlingen mag/muss. Eine große Empfehlung! ... Und zwei Autorinnen, die ich unbedingt im Auge behalten muss. 4,5 von 5 Sterne gibt es von mir.


© Damaris Metzger, www.damarisliest.de


Arena Verlag (Januar 2018) - Hardcover mit Schutzumschlag, 472 Seiten - 18,00 € [D]
- ab 12 Jahren