Das Thema
Marielle lebt als Bildhauerin in Amsterdam. An einem der ersten warmen Frühlingstage kehrt die Vierzigjährige mit einem riesigen Strauß roter und blassrosa Tulpen vom Bloemenmarkt zurück und findet vor ihrer Wohnungstür ein Paket. Altmodisch verschnürt und geheimnisvoll. Der Inhalt: Tagebücher ihrer vor kurzem verstorbenen Mutter Franka. Ein Leben lang fühlte Marielle sich von ihr unverstanden. Immer war ihr diese stolze, kühle Frau fremd geblieben. Nun beginnt sie zu lesen. Von jenem langen Sommer 1944, den Franka auf einem Gut in der Toskana verbracht hatte. Von einer Begegnung, die das Leben der jungen Frau für immer veränderte. Und von einem Verhängnis, das über die Generationen hinweg zu wirken scheint.
© Klappentext-, Cover- und Zitatrechte: btb Verlag
Bei vielen Dingen ist es einem nicht klar, dass man sie zum letzten Mal erlebt. Der letzte Blick auf den Liebhaber, der nie wiederkehrt, das letzte Wort, das man mit jemandem spricht, das einen für immer verlässt. Mir war nicht klar, dass es der letzte Sommer mit meiner Mutter werden sollte. - S. 7
Das Leseerlebnis
Die belletristischen Romane von Beate Teresa Hanika sind für mich ein Lesemuss, genauso wie ihre Jugendbücher. Und so stand auch "Vom Ende eines langes Sommers" auf meiner langen Wunschliste, sobald ich davon erfuhr. Im Buch geht es um eine Mutter-Tochter-Beziehung und darum, wie Erlebnisse aus der Vergangenheit die Zukunft eines jeden Menschen beeinflussen. Sicherlich kein neues Thema und auch keine neue Art der Darstellung. Aber eine ganz besondere! Ich fühlte mich sehr ergriffen von diesem spröde-gefühlvollen Roman, der mich auch über das Lesen hinaus beschäftigt.
Marielle behauptet im Buch, dass sie und ihre Mutter Franka noch nie ein enges Verhältnis oder eine enge Bindung zueinander hatten. Seit Marielle denken kann, sind sich die beiden auf seltsame Weise fremd. Vielleicht liegt das daran, dass Marielle nicht das leibliche Kind von Franka ist. Vielleicht aber auch an den Erlebnissen der Mutter, rund um 1944, als diese selbst noch ein junges Mädchen war. Franka weiß nicht viel von ihrer Mutter, sie erlebt diese schon immer als kühle, verbitterte, etwas hartherzige Frau.
Marielle lebt nun in Amsterdam. Gemeinsam mit ihrer Mutter hat sie den vergangenen Sommer bei einer Tante in Italien verbracht, nichts ahnend, dass es danach nie wieder einen gemeinsamen Sommer geben würde. Doch auf einmal erhält Marielle Briefe, die Franka geschrieben hat und die sehr detailliert ihr früheren Erlebnisse beschreiben. Was geschah damals? Findet Marielle über diese Briefe einen persönlicheren Zugang zu ihrer verstorbenen Mutter?
Die Aufarbeitung von Frankas Erlebnissen (und auch von Marielles) geschieht auf drei verschiedenen Zeitebenen; Marielles jetziges Leben, der Sommer mit ihrer Mutter gemeinsam, weniger als ein Jahr zuvor, und Frankas Vergangenheit. Das ist nicht schwer, sondern sehr angenehm zu lesen, weil die einzelnen Zeitabschnitte klar voneinander getrennt sind. Im Laufe der Geschichte gewann ich so Erkenntnisse und verstand Zusammenhänge, die am Ende verknüpft werden und ein großes Ganzes ergeben. Abgesehen davon, dass ich ein, nein, zwei Mal großartig überrascht wurde, hat mich die Geschichte stark beschäftigt und mitgenommen. Natürlich ist sie zum Großteil fiktiv, beruht aber ebenso auf zeitgeschichtlichen und historischen Tatsachen. Das wurde großartig erzählt!
Das Fazit
Ich bin mir unschlüssig, ob ich "Vom Ende eines langen Sommers" so feiern sollte, wie ich das möchte, denn die Geschichte hat es in sich und besitzt einen dramatischen und entsetzlichen Hintergrund. Daraus eine sensible und berührende Mutter-Tochter-Geschichte zu machen, finde ich allerbeste Erzählkunst. Hinter der spröden und beherrschten Fassade verbirgt sich ein Roman mit einem großen Herzen. Am Ende wird auch klar, warum. Unbedingt lesen! 5 von 5 Sterne gibt es von mir.
© Damaris Metzger, www.damarisliest.de
btb Verlag (September 2018) - Hardcover mit Schutzumschlag, 320 Seiten - 20,00 € [D]