Das Thema
Ausgerechnet Kezi! Happis große, hübsche, starke und kluge Schwester ist tot. Kezi hatte sich aktiv auf ihrem Youtube-Kanal für die Rechte Schwarzer Menschen eingesetzt. Und nun wurde sie selbst ein Opfer von Polizeigewalt nach einer Demonstration.
Voller Trauer begibt sich Happi zusammen mit Freunden auf eine Reise, die noch von Kezi geplant worden ist. Quer durch die USA folgen sie dem Green Book, einem Reiseführer, der Schwarzen Reisenden während der Zeit der Rassentrennung angab, wo sie unbehelligt tanken, essen oder übernachten konnten.
Kezi war eine "von den Guten", sagen die Leute. Aber ist ihr Tod deshalb besonders tragisch? Und was heißt das überhaupt?
© Klappentext-, Cover- und Zitatrechte: Loewe Verlag
Sich nicht mehr zu verstellen, ganz gleich, wo auf der Welt man lebt und wen man liebt - das ist viel mehr als ein rebellischer Akt. Es ist ein Akt der Selbstliebe. Man braucht Mut, um aus dem Schatten zu treten und sein Leben laut in die Welt hinauszuschreien, und zwar nicht, damit die anderen dich sehen, sondern vor allem du selbst - komme, was da wolle. - S. 38
Das Leseerlebnis
Die Themen Rassismus, fehlende Repräsentation, Ungerechtigkeit oder auch Polizeigewalt finden nach vielen tragischen Vorkommnissen gerade wieder mehr Beachtung. Und das ist auch wichtig, denn eine Gesellschaft, die Menschen als ungleich betrachtet, ist in ihrer Entwicklung rückständig. Hier sind die Stimmen von Betroffenen zu hören, nicht die von Meinungsbildenden. Die Own-Voices-Autorinnen Maika und Maritza Moulite setzen sich in ihrem Buch aktiv für die Rechte und das Ansehen von Schwarzen Menschen ein. Sie wehren sich gegen falsche und ungerechte Rollenbilder. Wem das zu trocken oder anstrengend klingt, dem sei schon vorab gesagt, dass den Autorinnen mit "One of the Good Ones" zwar ein anspruchsvoller, aber äußerst vereinnahmender und unerwarteter Roman gelungen ist. Ich wurde in mehrerer Hinsicht überrascht.
Kazi, die schöne und kluge Schwester von Happi, ist tot. Sie starb in Polizeigewahrsam, die Familie trauert. Jedes Familienmitglied geht damit unterschiedlich um, jedoch fällt es Happi besonders schwer, zu ihren Gefühlen zu stehen. Denn gerade sie fühlt sich als die Außenseiterin der Familie, und ihr letztes Zusammentreffen mit Kazi vor deren Tod war unschön und gemein. Kazi war eine Aktivistin für Schwarze Menschen, wollte die Abonnenten ihren erfolgreichen Youtube-Kanals auf einen Roadtrip mitnehmen, um über Rassismus und Ungerechtigkeit aufzuklären. Mehr oder weniger gezwungen, lässt sich Happi nun zu genau diesem Roadtrip überreden, als Andenken an ihre Schwester und zur Aufarbeitung ihrer Gefühle.
Obwohl das Buch für die Rechte von Schwarzen Menschen einsteht, Ungleichheit und Rassismus thematisiert, zeigt es auch eine Familie ganz abseits dieser Thematik. Happi und ihre Schwestern wurden/werden sehr christlich erzogen. Welche festgefahrenen Rollen- und Meinungsbilder das mit sich bringt, wird auf dem Roadtip, den Happi, ihre Schwester Genny und zwei Freund*innen zum Gedenken an Kazi unternehmen, deutlich. Auch hier findet eine Aufarbeitung statt. Und so ist "One of the Good Ones" keinesfalls eindimensional, sondern bedient eine große Bandbreite an Leben und Gefühlen.
Die Geschichte wird von mehreren Personen, auf mehreren Zeitebenen erzählt. Es ergibt sich ein ziemlich rundes Bild, was vor und während Kazis Tod geschah, wie Happi im Jetzt lebt und welche Hintergründe die Familie zwecks Gesellschaft und Rassismus erlebt hat (und immer noch erlebt). Dinge, die Kazi öffentlich thematisieren wollte. Das ist anspruchsvoll, nicht angenehm und tragisch, und nahm mich ziemlich heftig mit. "One of the Good Ones" ist oftmals überraschend, enthält aber eine große Wendung innerhalb der Geschichte, die ich nicht voraussah und die mir sprichwörtlich den Boden unter den Füßen wegzog. Das Buch entwickelt sich hier nochmals in eine völlig andere Richtung. Ich staune immer noch. Vielleicht ging mir am Ende darum auch alles ein bisschen zu schnell. Nach dem, was ich hier erfuhr, hätte ich gerne noch weiter gelesen. Aber wahrscheinlich wäre das Stoff für ein eigenes Buch. Abgeschlossen ist "One of the Good Ones" auf jeden Fall.
Das Fazit
"One of the Good Ones" thematisiert auch heute noch aktuelle Missstände wie Rassismus und Ungerechtigkeit. Das Buch setzt sich für die Rechte Schwarzer Menschen ein, klärt auf und sensibilisiert. Darüberhinaus enthält es eine vereinnahmende Geschichte. Dass diese teils sehr heftig ist, mitreißt und vor allem eine Wendung enthält, die man wirklich null voraussehen kann (zumindest mir erging das so), überrascht komplett. Durch tolle Charaktere, viel Gefühl und einen weitsichtigen Blick über den Tellerrand wird "One of the Good Ones" zu einem Lesetipp. Dass es am Ende fast schon etwas schnell vorbei ist, ist gefühlt schade, soll das Hauptthema aber nicht verdrängen. 4 von 5 Sterne gibt es von mir.
© Damaris Metzger, www.damarisliest.de
Loewe Verlag (November 2021) - Klappenbroschur, 416 Seiten - 14,95 € [D]
Originaltitel: One Of The Good Ones - Übersetzt von Silvia Kinkel und Constanze Wehnes - ab 14 Jahren