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Montag, 29. Oktober 2012

Rezension zu "Die Verratenen" von Ursula Poznanski



Verlag: Loewe (Oktober 2012)
Originaltitel: -
Übersetzer: -
Reihe: Band 1/3, ab ca. 14-17 J.
Ausführung: Hardcover/SU, 460 S.
ISBN: 978-3785575468
18,95 € [D]

Genre: Dystopie

© Cover- und Zitatrechte: Loewe Verlag


Das Thema
Die 18-jährige Ria lebt in einer nicht allzu entfernten Zukunft, in einem dauerhaft von Schnee bedeckten Teil Europas. Sie ist eine Vitro, ein künstlich geborener Mensch, und lebt in der Sphäre Hoffnung. Dort erhält sie die beste Ausbildung und gehört zu den privilegiertesten Nachwuchsstudenten des Sphärenbundes. In ihrem Spezialgebiet Kommunikation und Rhetorik ist sie die beste Studentin und hat es in der Reihung bis auf Platz 7 geschafft. Ihr steht eine große Zukunft bevor. Rias bedingungslose Treue gilt dem Sphärenbund, sie kann sich kein Leben außerhalb der durchsichtigen Kuppeln vorstellen, schon gar nicht in der Kälte und umgeben von Prim-Stämmen, den Primitiven.
Völlig unerwartet werden Ria und fünf weitere Studenten beschuldigt, eine Verschwörung gegen den Sphärenbund organisiert zu haben. Von nun an ist ihr Leben bedroht. Nur knapp können die sechs Studenten entkommen und müssen sich von nun an auf völlig fremdem Gebiet zurechtfinden. Außerhalb der warmen Kuppeln, in der kalten Wildnis, dem Territorium der Prims.

Die Rezension

Der Anfang: Ich weiß, dass etwas Furchtbares passiert sein muss, als Tomma den Raum betritt.

Viele Leser wünschen sich von einem neuen Buch eine Geschichte, die frisch ist und vor allem viel Neues zu bieten hat. Die meist genannte Kritik an Büchern, ist, dass den Lesern vieles zu bekannt vorkam oder die Geschichte keine frischen Neuerungen aufgewiesen hat. Man sollte aber nicht vergessen, dass es innerhalb eines Genres bestimmte Grenzen und Vorgaben gibt. Nicht immer ist eine komplette Neuerfindung von Umgebung und Personen vorteilhaft, wirkt sogar teilweise gekünstelt und zu sehr gewollt. Wenn nach der Beendigung von "Die Verratenen" die Gedanken zur Geschichte zurückschweifen, wirkt diese auf den ersten Blick auch nicht komplett neu - Junge Erwachsene müssen sich außerhalb ihrer gewohnten und antrainierten Welt zurechtfinden. Ursula Poznanski hat aber trotzdem eine Welt entworfen, die sofort fasziniert, sich dabei wunderbar flüssig liest und in vielerlei Hinsicht positiv zu überraschen weiß.

[...] ich kann Aureljo hinter mir atmen hören, höchstens fünf Schritte entfernt. Mein eigener Atem formt dichte weiße Wolken vor meinem Mund und auf einmal herrscht in mir die Ruhe von Schnee und Stein. Es ist so weit. Kein Warten und Bangen mehr. - S. 155

Auch hier benötigt man ein paar der relativ kurzen Kapitel, bis man sich eine genaue Vorstellung von Rias Welt und ihrem System machen kann. Begriffe wie Studenten und Mentoren, Sphäre, Kuppeln und Reihung, sowie Clans, Stämme und Prims wollen zurechtgelegt und im eigenen Verständnis platziert werden. Danach ist das Bild aber umso dichter. Außerdem verläuft diese Einführung so interessant, dass man kaum vom Buch wegkommt. Ein besonderes Goddie, ist, dass die Handlung in bekannten Gefilden spielt. So heißen einzelnen Kuppeln, in denen die Bewohner des Sphärenbundes leben, zum Beispiel Neu-Berlin 3, Spessart 3 oder Neu-Konstanz.
Stilistisch gehört "Die Verratenen" sicher zur oberen Klasse der Jugend-, bzw. All Age-Bücher. Der Schreibstil ist sehr gut! Und vor allem sehr angenehm und flüssig, fast schon ruhig, zu lesen. Einige Kurzsätze akzentuieren die Handlung und Gedanken der erzählenden Hauptprotagonistin Ria (Ich-Form, Präsens) und lassen das Herz oft schneller schlagen.

Innerhalb der des Verrats beschuldigten Studentengruppe setzt Frau Poznanski nicht auf vermehrte Sympathie, sondern eher auf Authentizität. Rias Situation und ihre Gedanken sind komplett nachzuvollziehen, Logiklöcher oder unklare Situationen gibt es keine. Einige Personen der Gruppe wirken wie Mitläufer, während man anderen gegenüber sofort eine ausgeprägte Antipathie entwickelt. Einige Personen erscheinen nicht ganz ehrlich. Dennoch gelingt es bis zum Schluss nicht, die eigene Meinung zu einzelnen Protagonisten zu festigen. Das ist sehr geschickt ausgearbeitet und gut durchdacht.

Wir legen uns die merkwürdigsten Wahrheiten zurecht, wenn die Realität zu furchterregend wird. - S. 172

Und noch etwas entspricht bei diesem Buch ganz und gar nicht der Norm. Wer hier die obligatorische Lovestory zwischen der dystopischen Handlung erwartet, setzt bei "Die Verratenen" aufs falsche Pferd. Der größte Unterschied ist, dass Ria seit dem Anfang der Geschichte mit ihrem festen Freund Aureljo zusammen ist. Zwar haben die Beiden eine körperliche Beziehung, halten sich an der Hand, umarmen sich, usw., mehr Romantik ist hier allerdings nicht definiert. Auch kommt es nicht zum plötzlichen Zweifeln, seitens Ria, an der Beziehung, und der perfekte Nebenbuhler erscheint (noch) nicht auf der Bildfläche. Obwohl, vielleicht erscheint er ja sogar (die Rezensentin hätte hier einen Wunsch!). Jedenfalls hat ein möglicher Kandidat in diesem Band noch nicht die Rolle des umwerbenden Romeos. Kitschfrei perfekt!

Das Buch ist ein Pageturner durch und durch, und viel zu schnell ist man am Ende angelangt. Hier wird man dann sogar noch überrascht, weil die Geschichte in eine andere Richtung geht, wie vielleicht erwartet. Andererseits ist die Handlung aber wiederum so gestickt, dass man keine großen Erwartungen an das Ende stellen kann, weil die Vorstellung fehlt, wie sich das Ende dieses ersten Bandes darstellen könnte.
Einen direkten Cliffhanger gibt es nicht, nichtsdestoweniger hat auch "Die Verratenen" ein Ende, bei dem die wenigsten brennenden Fragen beantwortet sind und sich nach dem Schlusssatz sofort dieses Hach, ich will sofort weiterlesen-Gefühl einstellt. Der Nachfolgeband wird so zum unumstößlichen Muss!

Das persönliche Fazit
Meine Erwartungen an "Die Verratenen" waren technisch und kühl, ganz wie das Cover. Dabei ist die Welt, in der Ria lebt, zwar sehr technisiert, aber Gefühl findet man an allen Ecken und Enden. So viel Gefühl, dass Rias komplettes Weltbild auf den Kopf gestellt wird und sie gänzlich umdenken muss. Ich war während des Lesens immer wieder überrascht wie gut das Buch ist, wollte es stellenweise kaum unterbrechen. Dass Ursula Poznanski hervorragende Bücher schreibt, hat sie mit "Erebos" und "Saeculum" schon ausreichend unter Beweis gestellt. "Die Verratenen" ist ein weiterer Leckerbissen. Stil und Handlung haben mich eingefangen, ich selbst habe mich nach dem Lesen nur ungern entlassen. Das Buch ist - nicht nur für Dystopiefans - eine unbedingte Leseempfehlung. 5 Sterne!

Aufmachung: 4 / 5
Handlung: 4,5 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 5 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5

© Damaris Metzger, damarisliest.de






Reiheninfo Eleria-Trilogie:

Band 1 "Die Verratenen"