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Montag, 28. April 2014

Rezension zu "Dracyr: Das Herz der Schatten" von Susanne Gerdom



Verlag: cbj (März 2014)
Originaltitel: -
Übersetzer: -
Reihe: Band 1/2 (?), ab ca. 12 J.
Ausführung: Klappenbroschur, 512 S.
ISBN: 978-3570402245
14,99 € [D]

Genre: High Fantasy

© Cover- und Zitatrechte: cbj Verlag


Das Thema
Im Land Albrastor herrscht der grausame Dracyrmeister und Hexer Harrynkar. Mit seinen Schattenreitern und deren Dracyr bestraft er Auflehnung oder Ungehorsam mit sofortigem Tod oder verbrennt gleich komplette Dörfer, lässt alle Angehörigen hinrichten. Nach der Ermordung ihrer Familie schwört die 16-jährige Kay Rache. Sie will sich auf der Burg von Lord Harrynkar einschleusen und dort einen Weg finden, den schrecklichen Herrscher zu töten. Doch während ihrer Arbeit erwartet Kay einiges, mit dem sie nicht gerechnet hätte. Ihr wahres Schicksal wartet tief unter der Burg auf sie, in den Pferchen der Dracyr. Und dann ist da noch Damian, der unheimliche Sohn des Lords, der Kay mehr unter die Haut geht, als er sollte. Denn Damian ist der Feind ...

Die Rezension

Der Anfang: Müheloses Schweben im warmen Aufwind über den kahlen Hängen des Mont Darryn. Der Himmel eine umgedrehte Schale aus tiefem Blau, unergründlich und endlos.

Drachen faszinieren Jung und Alt. Wahrscheinlich, weil es diese Wesen nicht (mehr) gibt. Ob sie Wahrheit oder Legende waren, hier gehen die Meinungen auseinander. Fakt ist jedoch, dass Literatur über diese mächtigen, feuerspeienden Kreaturen ungemein anziehend wirkt. Doch Vorsicht, entfernt sich die Darstellung der Drachen zu weit von der Vorstellung des Ur-Drachen, oder werden sie gar zu menschlich dargestellte, kann anfängliche Faszination schnell ins Gegenteil umschlagen.
Susanne Gerdom entwirft hier eine eigene Drachenart, die Dracyr, und das sehr gekonnt. Sie zeigt die Drachen, wie sie sein sollen. Furchterregend, mächtig und feuerspeiend, aber auch beschützend und gütig.

Das Licht der sterbenden Sonne bricht sich in tausend Schattierungen auf den Schuppen und schimmert irisierend in den dünnen Häuten zwischen den Greifklauen. Zartes Perlrosa, kalt strahlendes Smaragdgrün, loderndes Purpur, das Violett der fallenden Nacht, schimmerndes Saphirblau, [...] augenverwirrende Farbspiele, die die Konturen verwischen. - S. 7

Lange wird der Leser nicht darüber im Unklaren gelassen, was ihn in "Dracyr" erwartet. Das macht den Einstieg leicht und man findet sich auch ohne das angehängte Personenregister zurecht. Schon in den ersten Kapiteln erhält man ein umfassendes Bild über das Machtgefüge, die Grausamkeit des Herrschers und die Grundstory. Die Familie des Mädchens Kay wurde vom Dracyrmeister hingerichtet. Kay sinnt auf Rache und möchte sich in die Burg des Herrschers einschleusen, um ihn zu ermorden. Klingt spannend und ist es auch. Vor allen, wenn die Hauptcharaktere so gut ausgearbeitet wurden wie in diesem Fall.

Kay ist sehr schlagfertig und bleibt authentisch, auch, als ihr Zweifel und Verwirrung über die Richtigkeit ihres Vorhabens und über ihre spätere Beziehung zu den Dracyr kommen. Obwohl sie sich bemüht unerkannt zu bleiben, kann sie ihr Mundwerk meist kaum zügeln. Da ist es nicht verwunderlich, dass sie schon bald die Aufmerksamkeit des Herrschers Harrynkar und dessen Sohnes Damian auf sich zieht.
Während der Dracymeister einfach nur böse und gruselig wirkt, ist es sein Sohn, der sofort die volle Aufmerksamkeit des Lesers hat. Damian hat einen offensichtlich grausamen Zug und einen Hang zu Bestrafungen, was mehr als einmal für empörtes Einatmen beim Lesen sorgt. In seltenen Fällen lässt aber auch Damian seine harte Schale aufspringen und gewährt Einblick in einen völlig verstörten und zerrissenen jungen Mann, der sein Verhalten einzig seinem grausamen Vater verdankt.
Die Chemie zwischen ihm und Kay ist sehr prickelnd. Die Autorin bleibt hier auch nicht bei angedeuteten Liebeleien. Es wird (jugendgerecht) romantisch, teils humorvoll und sehr spannend.
Obwohl man vom inneren Klappentext darauf schließen könnte, besitzt die Geschichte keine Dreiecksbeziehung, sondern es ist schnell klar, für wen Kays Herz schlägt.

"Ich hasse ihn", sagte sie, und der unterdrückte Zorn, der in ihr brodelte, erstickte ihre Stimme. "Ich hasse ihn für das, was er dir antut!"
Eine Flut von Emotionen zerstörte Damians gelassene Miene. Er atmete tief und stoßweise und wandte das Gesicht ab. "Warum sagst du das?", fragte er heißer. "Was interessiert es dich, ob ich ..." - S. 272

Das Herzstück der Geschichte sind die Dracyr. Sie wachsen einem ans Herz wie (große, bunte) Schoßhunde und lassen einen gleichzeitig in Ehrfurcht verfallen. Die Dracyr sind keine niedlichen Tierchen, sondern leibhaftige und waschechte Drachen, haben aber von der Autorin ihre ganz eigenen Eigenschaften bekommen. So legen sie zum Beispiel keine Eier, sondern bekommen lebenden Nachwuchs. Hier ist das Glossar über die genauen Bezeichnungen, innerhalb der Dracyr-Art, am Ende des Buches wirklich hilfreich. Die Beziehung zwischen Dracyr und ihnen verbundenen Menschen ist wunderbar dargestellt. Als Drachen der jugendlichen High Fantasy sind sie perfekt!

"Dracyr: Das Herz der Schatten" ist eine tolle und spannende Fantasy-Geschichte, sie gleicht einem kleinen Epos mit Macht, Kampf, Liebe und Verrat. Die Sprache ist oft sehr opulent, passt aber zum historischen Setting der High Fantasy. Das Buch ist als Mehrteiler (evtl. Dilogie) konzipiert, wurde aber so geschrieben, dass man diesen ersten Band getrost als Einzelband lesen kann. Natürlich könnte man die Geschichte in einen neuen Abschnitt führen, für dieses Mal ist die Handlung allerdings abgeschlossen.

Das persönliche Fazit
Bei Drachenfantasy bin ich anspruchsvoll und selten unvoreingenommen. Große Hoffnungsträger haben mich schon sehr unbefriedigt zurückgelassen. Nach kurzer Einlesezeit wusste ich, "Dracyr: Das Herz der Schatten" hat genau das, was ich von junger High Fantasy erwarte: Eine ausgewogene und epochale Geschichte, sowie ansehnliche Charaktere mit einer präsenten und kribbeligen Lovestory. Und das Beste: TOLLE Drachen, sorry, Dracyr! Ich habe mich mit dem Buch rundum wohlgefühlt. Ein mustergültig unterhaltender Fantasy-Schmöker, dessen 500 Seiten man in einem Rutsch weglesen kann. Ein zweiter Band wäre wunderbar. 5 Sterne!


Aufmachung: 4 /5
Handlung: 4 / 5
Charaktere: 4,5 / 5
Lesespaß: 5 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5

© Damaris Metzger, www.damarisliest.de