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Donnerstag, 24. April 2014

Review zu "Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Ikea-Schrank feststeckte" von Romain Puértolas



S. Fischer (April 2014),
Hardcover/SU, 304 Seiten,
16,99 € [D]


Ein irrsinniger Lesetrip - einmal um die halbe Welt und zurück: Die Geschichte eines Fakirs, der in einem Ikea-Schrank auf eine wundersame Reise gerät.

Ayarajmushee Dikku Pradash, charmanter Hochstapler in Turban und Seide sowie Träger eines Schnurrbarts beträchtlicher Größe, fliegt eines Tages aus Indien nach Paris. Er ist von Beruf Fakir und möchte sich bei Ikea ein brandneues Nagelbett zulegen: Modell "Likstupikstå", schwedische Kiefer, 15000 Nägel (rostfrei), Farbe: Pumarot. Kaum am Flughafen Charles de Gaulle angekommen, handelt sich Ayarajmushee Ärger mit einem Taxifahrer ein, verliebt sich im Ikea-Bistro in die schöne Französin Marie, nistet sich über Nacht im Möbellager ein und versteckt sich in einem Ikea-Schrank. Prompt gerät er in diesem Schrank auf eine irrwitzige Reise, die ihn über England, Barcelona, Rom und Tripolis zurück nach Paris führt ...

Der große Überraschungshit aus Frankreich - ein Roman über das verrückte Leben in unserer globalisierten Welt – heiter, schnell, wundervoll überdreht. (Text-, Cover- und Zitatquelle: S. Fischer)


Zu helfen ist mindestens so schön, wie wenn einem geholfen wird. - S. 252


Meine Meinung
Lange und ungewöhnliche Buchtitel sind gerade im Trend. Ich gebe es gerne zu, mir gefällt dieser Trend. Oft weiß man nicht so recht, was sich hinter einem Buchtitel verbirgt. Hier ist es geradezu offensichtlich einfach. Man mag nicht glauben, dass der Titel den Inhalt des Romans komplett zusammenfasst. Und doch ist es so, denn im Buch geht es tatsächlich um "Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Ikea-Schrank feststeckte".

Die Geschichte startet mit dem Eintreffen des (Hochstapler)-Fakirs Ayarajmushee am Pariser Flughafen. Er teilt einem Taxifahrer mit, dass er zu Ikea gebracht werden möchte. Dort möchte er sich ein neues Nagelbett kaufen. Die herrlich-komische Geschichte nimmt ihren Lauf.
Zu allererst fiel mir der vergnügliche Humor auf. Schon in den ersten Kapiteln musste ich mehrmals laut auflachen. Das lag zum einen an den herzlichen und drolligen Gedanken, die sich Ayarajmushee macht, zum anderen an den vielen lustigen Namen, die sich der Autor für seine Personen ausgedacht hat. Bei einigen (vor allem den indischen Namen) wird in Klammern die Aussprache erklärt. Natürlich ebenfalls frei erfunden und total lustig. Und ja, ich benötigte ca. 50% des Buches, bis ich den Namen des Hauptcharakters - Ayarajmushee - stolperfrei lesen (und jetzt schreiben) konnte.

Die Recherche, bzgl. des schwedischen Möbelhauses, ist perfekt. Ob Standorte, Möbel oder Abläufe, vieles erkennt man wieder und entlockt einem ein andauerndes Schmunzeln. Dazu hat sich Hr. Puértolas noch die Freiheit herausgenommen, einige Dinge frei zu interpretieren oder zu erfinden. So ist die Tatsache, dass Ikea Nagelbetten verkauft (in drei verschiedenen Grundfarben und Nagelausführungen), natürlich ein Gerücht.

Das Verkaufskonzept, das Herr Ikea sich ausgedacht hat, muss auf Bewohner eines westlichen Landes von demokratischer Denkungsart zumindest ausgefallen wirken: die Zwangsbesichtigung des gesamten Ladens.
[...] Kurz und gut, wer kommt, um drei Schrauben und zwei Muttern zu kaufen, verlässt den Laden vier Stunden später als Inhaber einer komplett eingerichteten Küche und eines übervollen Magens. - S. 25

Neben dem humoristischen Part hat der Roman auch eine ernstere Seite. Das wird durch die viele Bekanntschaften verdeutlicht, die Ayarajmushee auf seiner unglaublichen Reise macht. Schicksale der Menschen berühren tief und öffnen den Blick für unerfreuliche Zustände, die auch in den "schönen Ländern" Europas und deren Nachbarländern herrschen.
Ohne Zweifel steckt in dem Roman viel Witz und Nonsens, gerade das macht das Lesen so kurzweilig und amüsant. Gegen Ende war mir persönlich die Handlung etwas zu konstruiert. Man kann den Roman getrost als Ende-gut-alles-gut-Buch bezeichnen. Ayarajmushee hat in seinem Leben schlimme Dinge erfahren. Das wird dem Leser aber nur kurz vor Augen geführt, ging mir nicht tief genug. Gerade bei einer Sache, aus Ayarajmushees Kindheit, hätte ich mir mehr Feingefühl gewünscht. Es scheint, als hätte eine tiefergehende Betrachtung, neben der ganzen Unglaublichkeit und Verrücktheit, nicht mehr viel Platz gehabt. Nichtsdestotrotz kann man der Anziehungskraft des fabelhaften Hauptcharakters und der besonderen Geschichte nicht entrinnen.

Fazit
Als Leser steckt man zwar nicht in einem Ikea-Schrank, dafür aber tief im Buch. Dies ist eine Geschichte zum Wohlfühlen, Lachen und schmunzelnden Kopfschütteln. Ein ernsthafter Part ermöglicht dem Leser einen Blick über den belletristischen Leserand hinaus. Romain Puértolas ist mit seinem Roman ein Bestseller gelungen. Sein Debüt erscheint in 36 Ländern, die Filmrechte sind bereits verkauft. Die deutsche Übersetzung und Sprachgestaltung ist perfekt! Was macht "Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Ikea-Schrank feststeckte" nun so besonders? Es ist die Mischung aus ungewöhnlichem Nonsens, lebendigem Humor und feiner Ernsthaftigkeit, die das Buch zu einem wahrlich irrsinnigen Lesetrip machen.

© Damaris Metzger, damarisliest.de