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Montag, 16. Juni 2014

Review zu "Einer da oben hasst mich" von Hollis Seamon



cbt (Mai 2014),
Hardcover/SU, 256 Seiten,
14,99 € [D]


Eigentlich ist der 17-jährige Richard ein ganz normaler Teenager - doch er hat Krebs und verbringt die letzten Tage seines Lebens in einem Sterbehospiz. Trotz dieses "Einer-da-oben-hasst-mich-Syndroms", wie Richard es selbst nennt, hat er seinen Lebensmut nicht verloren und tut alles dafür, so viel wie möglich aus der ihm verbleibenden Zeit zu machen: Sei es, sich Privatsphäre zu verschaffen, wo es eigentlich keine gibt, zu Halloween verkleidet durch die Straßen zu fahren oder die Nähe der 15-jährigen und ebenfalls sterbenskranken Sylvie zu suchen ... (Text-, Cover- und Zitatrechte: cbt Verlag)


Niemand - und ich meine wirklich niemand - kann es ertragen, wenn Kinder sterben. Aber wir tun es, das ist nun mal Fakt. Also warum der Sache nicht ins Gesicht sehen? Früher oder später müssen ja alle mal sterben - und manche eben früher. Ende der Durchsage. - S. 10/11


Meine Meinung
"Einer da oben hasst mich" gehört bei den Jugendbüchern in die Sparte "harte Kost". Die Geschichte begleitet einen Jugendlichen in den letzten Tagen, bzw. Wochen, seines Lebens. Richie hat Krebs im Endstadium und liegt in einem Hospiz. Hier werden nur Kinder aufgenommen, deren Diagnose lautet, dass sie weniger als vier Wochen leben werden. Darum ist "Einer da oben hasst mich" auch kein Buch, bei dem man ein Happy End oder einen angenehmen Ausgang erwartet. Es hat von Anfang an etwas Endgültiges. Dennoch ist es absolut zu empfehlen, Richie im Hospiz zu begleiten. Die Geschichte wird in vielerlei Hinsicht anderes sein, als man erwartet. 

Schon mit der ersten Seite fällt einem einem die sehr jugendlich gehaltene Sprache auf. Sie zeigt Richard als das, was er ist. Ein normaler Jugendlicher, mit Wünschen und Gedanken, die fast alle 17-Jährigen haben. Mit dem einzigen Unterschied, dass ihm sehr wohl bewusst ist, wie kurz seine verbleibende Lebenserwartung ist. Zum einen hat er sich damit abgefunden, dass er bald sterben wird, zum anderen merkt man Richie auch eine leise und ganz natürliche Verbitterung an. Indem er seine Krankheit EDOHM-Syndrom oder Einer-Da-Oben-Hasst-Mich-Syndrom nennt, wird unterschwellig klar, wem er die Schuld an seiner Situation gibt. Das zeigt sich auch an seiner Abneigung den Geistlichen gegenüber, die die Kinder im Hospiz besuchen.

"Ich habe das Einer-Da-Oben-Hasst-Mich-Syndrom." Ich finde, diese Diagnose bringt auf den Punkt, was davon zu halten ist, wenn ich, Sylvie und andere in unserem Alter an einem Ort wie diesem enden und etwas hinter sich haben, das in unseren Grabreden bald ungefähr so klingt: "... ein mutiger Kampf gegen ... (bitte die jeweilige Krankheit einsetzen)."
Wie soll man unser Problem sonst in Worte fassen? EDOHM trifft es meiner Meinung nach verflucht noch mal am besten. - S. 16

Trotzdem hat Richie in seinen letzten Tagen noch etwas, das man Lebensmut nennt. Er macht Späße Streiche und eigenmächtige Unternehmungen, die den Krankenhausalltag ganz schön aufwirbeln und durcheinander bringen. Er hat lustige, komische und dramatische Begegnungen, die mit der Zeit ein rundes Gesamtbild ergeben und einige Dinge anders darstellen, als man sie anfangs noch gesehen hat.
Etwas überrascht war ich von der Tatsache, dass die Autorin der Sexualität einen sehr großen Stellenwert im Buch zuschreibt. Das erwartet man einfach nicht in diesem Ausmaß, wenn man eine Geschichte über todkranke Kinder liest. Andererseits ist Richie auch ein normaler Jugendlicher und hat Emotionen und Wünsche, die jedes andere Kind ein seinem Alter auch hat. Darum ist dieser Part plausibel. 

"Einer da oben hasst mich" ist kein Buch, das von andauernder Traurigkeit beherrscht wird. Hier drücken andere Bücher eindeutig mehr auf die Tränendrüse. Trotzdem sind einige Szenen sehr dramatisch und hart, berühren oder entsetzen. Manche Situationen, denen Richie ausgesetzt ist, und die vor allem sein direktes Umfeld im Hospiz zeigen, muss man erst mal sacken lassen. Verstehen wird man sie erst später. Hier zeigt die Autorin sehr anschaulich, dass jeder Mensch anders mit der Diagnose umgeht, dass sein Kind oder Angehöriger nicht mehr lange leben wird.
Mit dem unausweichlichen Ende hat man dann doch einen dicken Klos im Hals. Hier wird man noch lange seinen Gedanken nachhängen. Aber wie sagt Richard so treffend: Es ist wirklich in Ordnung.

Fazit
Man könnte sagen, diese Geschichte ist wie erwartet, aber dann auch wieder komplett anders. Ich erlebte mit Richard einiges, das ich mir für das Buch niemals so ausgemalt hätte. "Einer da oben hasst mich" drückt Emotionen in ganz eigenen Maßstäben aus, ist zwar nicht direkt schwierig, aber manchmal etwas eigenartig. Einen Gesamtüberblick muss man sich nach und nach zusammensetzen, dann geht das Buch aber sehr tief. Für Liebhaber besonderer Bücher und solche, die gerne dieses Genre lesen, absolut zu empfehlen.

© Damaris Metzger, damarisliest.de