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Freitag, 10. Oktober 2014

Review zu "In deinem Licht und Schatten" von Louisa Reid



Fischer FJB (September 2014),
Hardcover/SU, 320 Seiten,
16,99 € [D]


Rebecca und ihre Zwillingsschwester könnten unterschiedlicher nicht sein: Die eine schön wie im Märchen, die andere hässlich wie die Nacht. Nur eines haben sie gemeinsam: das Elternhaus, in dem Kälte und Gewalt regieren. Seit sie denken können. retten die Schwestern sich gegenseitig vor den Ausbrüchen des Vaters. Bis eine den Ausbruch wagt und die andere zurücklässt. Denn wenn dein Leben die Hölle auf Erden ist, was hast du dann noch zu verlieren? Alles. (Text-, Cover- und Zitatrechte: Fischer FJB)


Heute ist ein weiterer schwarzer Tag, der sich tief in mein Herz eingeritzt hat. Es sind so viele, dass ich sie nicht mehr zählen kann. Wenn man mich öffnen würde, würde man unter Haut, Fleisch und Knochen eine Bibliothek der Schmerzen finden. - Rebecca, S. 8


Meine Meinung
"In deinem Licht und Schatten" hat ein unglaublich ansprechendes Cover. Düster, aber mit Eyecatcher-Elementen. In Kombination mit dem interessanten Klappentext erwartete ich eine Geschichte über Schwestern mit einer schweren und schmerzvollen Kindheit. So in etwa kam es dann auch. Das Buch beinhaltet ein Reizthema - schlimme Erziehungsmethoden, oder besser Kindesmisshandlung, durch eine extreme Glaubensdefinition. Ich hatte nicht erwartet, dass ich während des Lesens und am Ende so bedrückt sein würde.

Die zwei Schwestern Rebecca und Hephzibah leben mit ihren Eltern im Pfarrhaus. Der Vater ist der Pastor einer örtlichen Glaubensgemeinschaft (einer fundamentalistischen Abspaltung der Englischen Kirche). Schon an den Namen der Schwestern, beide biblisch-alttestamentlich, sieht man, dass den Eltern ein Leben nach strengen kirchlichen Maßstäben über alles geht. Der Vater ist ein harter und unnachgiebiger Gottesmann, der den Schein einer tiefgläubigen Familie und Lebenseinstellung unbedingt waren möchte. Die Mutter schließt sich dem Vater bedingungslos an. Für die Mädchen wird so ihre Elternhaus zur Hölle auf Erden. Täglich sind sie seelischen und körperlichen Qualen ausgesetzt. Hier möchte ich nicht näher darauf eingehen, im Buch bekommt man genug Einblick.

Manche von ihnen waren mit dem, was er [in seinen Predigten] sagte, nicht einverstanden, aber die Fanatiker nickten und befolgten eifrig seine Worte. Das waren die Leute, die keine Mickymaus-Comics in ihrem Haus akzeptierten, die Einladungen zu Festen und Partys in den Mülleimer warfen und in den Kürbisgesichtern an Halloween etwas Satanisches sahen. Eltern, wie Hephzi und ich sie hatten. - Rebecca, S. 63/64

Von Beginn an weiß man, dass Hephzibah gestorben ist. Was genau passiert ist, und wie, das erfährt man während der Geschichte. Trotzdem erzählen beide Mädchen ihre Sichtweisen der Situation. Rebecca mit einem "Danach" (nach dem Tod der Schwester) und Hephzibah hat den Part des "Davor".
Besonders Rebecca bekommt den (Jäh)zorn des Vaters und die Ablehnung durch die Mutter täglich zu spüren. Sie leidet am Treacher-Collins-Syndrom, einer Missbildung des Gesichts. Ihre hübsche Schwester Hephzibah wird nicht ganz so hart angepackt, aber das ist unwesentlich. Es tut beim Lesen sehr weh zu sehen, was den Mädchen alles passiert und wie schlecht sie behandelt werden. Warum fällt das niemand auf? Warum müssen Kinder so etwas mitmachen?

Die Autorin wählt für ihr Buch einen guten Mittelweg aus Anschaulichkeit und den Gefühlen der Opfer. "In deinem Licht und Schatten" ist ein Jugendbuch, mehr Verdeutlichung der schlimmen Thematik ist hier auch definitiv nicht nötig. Obwohl es wahrscheinlich anschaulichere, noch deutlichere Bücher mit diesem schlimmen Thema gibt, gehen die Schilderungen der Mädchen tief. Am Ende bleibt Rebecca nicht hoffnungslos zurück, die Geschichte stagniert somit nicht im Sumpf der Misshandlungen. Man kann das Ende also gewiss nicht als "happy" bezeichnen, es ist vielmehr realistisch, befriedigt den Leser ein Stück weit. Trotzdem blieb bei mir auch nach dem Lesen dieses bedrückte Gefühl bestehen.

Fazit
"In deinem Licht und Schatten" beschreibt eine Kindheit voller Schatten und nur wenig Licht. Das schlimme Schicksal der Schwestern Rebecca und Hephzibah geht tief, berührt und entsetzt. Kaum zu glauben, dass es derartiges Verhalten in unserer Gesellschaft gibt und Menschen diese Art von Glaubensdefinition als normal ansehen. Es ist ein Buch gänzlich abseits des Mainstreams und somit eine Empfehlung für alle, die tiefergehende Literatur lesen möchten.

© Damaris Metzger, damarisliest.de