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Dienstag, 4. November 2014

Rezension zu "Marmorkuss" von Jennifer Benkau



Verlag: script5 (Oktober 2014)
Originaltitel: -
Übersetzer: -
Reihe: - , ab ca. 14 J.
Ausführung: Hardcover/SU, 432 S.
ISBN: 978-3839001660
18,95 € [D]

Genre: Urban Fantasy

© Cover- und Zitatrechte: script5 Verlag


Das Thema
Jarno hat seinen Platz im Leben noch nicht gefunden. Er wohnt mit seiner unerwiderten Liebe in einer WG und hält sich mit Gelegenheit- und Kleinjobs über Wasser. Das Geld ist ständig knapp. Seine einzige und große Leidenschaft gilt der Fotografie. Sein wertvollster Besitz ist eine teure Profikamera. Mit ihr will er den Aufstieg zum Fotografen schaffen. Jarnos Leben ändert sich komplett, als er in einer verlassenen Villa eine wunderschöne Marmorstatue entdeckt.

Klara will unbedingt Lehrerin werden. Dieser Wunsch ist 1903 eine Herausforderung, als der Lehrerberuf überwiegend den Männern vorbehalten war. Doch Klara setzt sich bei ihrem Vater und dem heimlichen Verloben durch und kommt ihrem Ziel immer näher ... bis ein unheimliche Frau immer dort auftaucht, wo auch Klara ist.

Die Rezension

Der Anfang: Pisseflecken an grauer Betronwand. Eine umgeworfene Bierflasche; ihr auslaufender Inhalt mischt sich mit Schneetau, der aus dem Profil von Springerstiefeln rinnt.

Die Autorin Jennifer Benkau ist ein echtes Multitalent. Sie schreibt nicht nur für eine Zielgruppe und in einem einzigen Genre, sondern für ältere Jugendliche sowie für erwachsene Leser. Man findet aus ihrer Feder Fantasy in allen Formen, Dystopien und nun auch ein modernes Märchen. "Marmorkuss" heißt der neue Einzelband. Er beinhaltet, neben einem Zeitreiseelement, eine modern ausgelegte und doch klassische Märcheninterpretation. Und das geht? Auf jeden Fall und erwartet gut!

Sprachlich perfekt, spielt die Geschichte anfangs in zwei verschiedenen Zeiten. Man begleitet entweder Jarno im Jetzt oder Klara in der Vergangenheit. Das ist nicht sofort ersichtlich und sehr gut gemacht. Einzig an der unterschiedlichen Sprache, einigen altertümlichen Äußerungen und Dingen, seitens Klara, kann man festmachen, dass Klara in einer anderen Epoche lebt. Das Beste am Wechsel zwischen Jetzt und Damals sind die Übergänge. Die Autorin hat einen Weg gefunden, den letzten, bzw. ersten Satz der jeweils anderen Hauptperson so gekonnt zu verknüpfen, dass man die Abschnitte fortlaufend lesen könnte. Trotzdem verliert man nie den roten der Faden der einzelnen Handlungen. Das ist absolut genial!

"Ich bin ein Träumer ohne Morgen, Ein Künstler ohne Werke. Ein Fotograf ohne Kamera. Ich fürchte, ich bin nichts so wirklich, sondern alles nur zur Hälfte. [...]" - Jarno, s. 298

Jarno ist nicht, wie im Klappentext angepriesen, ein völliger Underdog. Vielmehr hat man den Eindruck, dass er nicht richtig weiß, wo sein Leben hinführen soll. Außer der Fotografie hat er nicht viele Vorstellungen davon. Er wirkt frustriert, etwas einsam und abgerissen - ist im Grunde aber ein sehr lieber und umsorgenden Mensch. Jarno präsentiert sich in der Geschichte etwas anders, als man das anfangs erwarten würde.
Auch Klara überrascht mit einigen Aktionen. Für ein Mädel Anfang des 20. Jahrhunderts ist sie erstaunlich selbständig und tough. Als ihr Leben aus den Fugen gerät ist eine gewisse Verunsicherung normal. Wie sich die Wege von Jarno und Klara kreuzen ist lange nicht klar, völlig märchenhaft und eine herrliche Interpretation der Autorin.

"Marmorkuss" ist wohl eine der am realistischsten aufgebauten Märchenadaptionen dieser Zeit. Man hat immer den Eindruck, die Geschichte könnte tatsächlich so passieren. Dennoch besitzt sie ganz klassische Märchenelemente und -vergleiche, die auch nicht abgeschwächt oder nur angedeutet sind. Kleine Längen kann man zugunsten der Glaubwürdigkeit verschmerzen. Eine Grundspannung ist meist vorhanden und aufwühlende, hervorragend gewählt Schluss interpretiert das typische Märchen-Happy End etwas anders.

Das persönliche Fazit
Wer möchte schon über 100 Jahre verschlafen, um in einer völlig fremden Welt wachgeküsst zu werden? Ich nicht! Die Anziehungskraft von Dornröschen ist aber ungebrochen. Mit "Marmorkuss" schreibt Jennifer Benkau eine eigene Version. Märchenhaftigkeit und Realität heben sich hier nicht gegenseitig auf, sondern harmonieren aufs Beste. Klassische Elemente des alten Märchens bleiben erhalten. Daran muss man sich in "Marmokuss" gewöhnen, danach belohnt die hochwertige Geschichte mit Spannung, glaubhaften Charakteren und perfekter Sprache. 4 dornenlose Sterne.


Aufmachung: 4,5 / 5
Handlung: 4 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5

© Damaris Metzger, damarisliest.de