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Sonntag, 8. November 2020

"Pepper-Man" von Camilla Bruce



Das Thema
Dies ist die Geschichte der verstorbenen Cassandra Tipp. Cassandra war erfolgreiche Autorin, exzentrische Tante - und angeklagte Mörderin. Sie hinterließ ihren Nachfahren ein Buch, das ihre Geschichte erzählt. Eine Geschichte von Pepper-Man, dem Wesen aus dem Wald, das Cassandra beschützte; eine Geschichte von blutigen Nächten und magischen Geschenken; eine Geschichte von Ehemännern aus Zweigen und Steinen. Und die Geschichte von Kindern, die im Wald verloren gingen.
Oder vielleicht doch eine Geschichte über ein kleines Mädchen, das im Schatten eines dunklen Waldes und furchtbarer Erinnerungen aufwuchs?
Es ist deine Entscheidung, ob du Cassandras düsterem Märchen glaubst.

© Klappentext-, Cover- und Zitatrechte: Knaur Verlag


Niemand behält das böse Mädchen im Auge. Die seltsame Tochter wird allein gelassen. Das machte es so einfach, sich wegzustehlen, an die zwielichtigen Orte der Welt vorzudringen. Entführt zu werden. Sich zu verlaufen. Ganz und gar verschlungen zu werden.
Für jene, die böse Absichten haben, riechen gute Mädchen wie Mandarinen - schmackhaft, aber bitter; es schreckt sie ab. Böse Mädchen wie ich riechen nach reifen Äpfeln, die nur darauf warten, gepflückt zu werden, saftig und sauer.
Niemand wird sie vermissen.
Aber ich hätte den Schutz einer Mutter gebrauchen können. - S. 23/24


Das Leseerlebnis
Ich kann nicht genau sagen, was ich mich an "Pepper-Man" so stark anzog, dass ich es lesen wollte. War es die unheimliche Optik? Oder die spannend-gruselige Buchbeschreibung? Vollständig einschätzen zu können, mit was ich es hier zu tun bekommen würde, wäre zu weit gegangen. Zugegeben, das Buch war für mich ein Wagnis - eines, das sich gelohnt hat. Es geht um die Kindheit und das spätere Leben von Cassandra. Ihre realen Erfahrungen oder ihre Wahnvorstellungen. Wirklichkeit oder Fantasie? Zwischen diesen zwei Optionen dürfen Leser*innen selbst wählen. Einfach ist das keinesfalls. Was im Grunde ganz klar erscheint, verschwimmt im nächsten Moment und wird zur Fraglichkeit. Mein Leseerlebnis schwankte zwischen Neugier, Abgestoßensein und so starker Faszination, dass ich das Buch kaum weglegen konnte.

Cassandra Tripp ist tot. Ihr Leben war widersprüchlich, voller Exzentrik und Tragik. Außerdem war sie in zwei Mordfällen angeklagt. Als erfolgreiche Autorin hat Cassandra nun viel Geld hinterlassen. Das sollen ihre Nichte Penelope und ihr Neffe Janus bekommen. Aber nur unter der Bedingung, dass sie den von Cassandra hinterlassenen Brief lesen, der die Wahrheit über ihr Leben enthüllen soll. Außerdem enthält der Brief ein Passwort, mit dem der Nachlass ausbezahlt wird. Was Penelope und Janus nun lesen, übersteigt ihre Vorstellungskraft (wahrscheinlich) bei Weitem und lässt sie Dinge in völlig neuem Licht sehen.

Das Buch startet mit einem Zeitungsausschnitt über Cassandra Tripps Leben und dem Testament der Autorin. Die eigentliche Geschichte erzählt Cassandra ihrem Neffen und ihrer Nichte in Briefform. Der Brief wird zu einem ganzen Roman, aber immer wieder spricht sie die Lesenden direkt an. Diese Form des Erzählens hat mich stark vereinnahmt und mitfiebern lassen. Generell ist "Pepper-Man" für einen Debütroman beeindruckend und schüttelt Leser*innen ganz schön durch.
Autorin Camilla Bruce wagt sich mit ihrer Geschichte weit ins Feenreich hinein, mitsamt seinen Mythen und Legenden. Doch Cassandras Erfahrungen mit den Feen sind nicht märchenhaft, nett oder etwas trickreich; sie sind sehr düster, böse und grausig-geheimnisvoll. Stellenweise geht "Pepper-Man" in Richtung Horror und ich habe mich während des Lesens gegruselt und gefürchtet.

Mit der Zeit kann man erkennen, woher Cassandras Pakt mit den Feen rührt. Die Hintergründe sind tragisch und erschütternd, liegen schwer im Magen. Gerne hätte die Autorin hier noch deutlicher werden dürfen, einige Konsequenzen klarer hervorheben können. Trotzdem bleibt bis zum Schluss eine kleine Unsicherheit, ein Hinterfragen des Ganzen, was die Geschichte einfach so verfolgend und unvergesslich macht.

Das Fazit
"Pepper-Man" hat mich das Fürchten gelehrt, wie man so schön sagt. Die Geschichte ist unheimlich und düster, stellenweise auch grausam und schockierend. Sie ist aber vor allem eines: ein Balanceakt zwischen Wahn und Wirklichkeit. Ich war abgestoßen und fasziniert zugleich, konnte vor lauter Neugier das Buch nicht aus der Hand legen. Am Ende bleibt man mit einem eindrücklichen und unvergesslichen Leseerlebnis zurück, das in Gedanken noch lange verfolgt. Ich fand es sehr skurril und krass. 4 von 5 Sterne gibt es von mir.


© Damaris Metzger, www.damarisliest.de


Knaur Verlag (September 2020) - Taschenbuch, 256 Seiten - 12,99 € [D]
Originaltitel: You let me in - Übersetzt von Carina Schnell