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Mittwoch, 12. Mai 2021

"Mein Leben als lexikalische Lücke" von Kyra Groh



Das Thema
Benni macht ein Praktikum im Frankfurter Krankenhaus und hat Angst, dass er es nie schaffen wird: Blut abzunehmen, vom nerdigen Benni zum coolen Ben zu werden, den allgegenwärtigen Kruzifixen in der beengten Wohnung seiner Mutter zu entkommen.
Eingeengt fühlt sich auch Jule, und zwar von dem Weltbild ihrer Eltern. Denn die haben absolut kein Verständnis für vegane Ernährung, Freitagsdemonstrationen oder Anti-Rassismus-Plakate. Und sie würden schon gar nicht verstehen, dass ihre Tochter eigene Ideale vertritt und Teil einer Veränderung sein möchte, die die Welt so dringend braucht. Als die beiden innerlich zerrissenen Teenager aufeinandertreffen, wird ihr Leben bunter, komplizierter, aber auch so viel erträglicher!

© Klappentext-, Cover- und Zitatrechte: Arctis Verlag


Dass es bei mir zu Hause so ganz anders abläuft als bei Kris, macht es mir oft schwer, richtig offen zu meiner besten Freundin zu sein. Obwohl ich ihr nach einer Situation wie heute Morgen am Frühstückstisch am liebsten sofort eine Sprachnachricht aufnehmen würde, in der ich mich zwischen Verzweiflung und Zynismus über den Alltagsrassismus meiner Eltern aufrege. Aber ich kann nicht. Falsch, ich könnte schon - im Sinne des Wortes -, aber ich traue mich nicht. [...] Was wenn sie dann nicht mehr mit mir befreundet sein möchte? - Jule, S. 24


Das Leseerlebnis
Es gibt Autor*innen, von denen würde ich ungesehen jedes Buch lesen. Dazu gehört auch Kyra Groh. Ich weiß, dass die Autorin viele begeisterte Fans hat. Zurecht. Ich selbst habe vor "Mein Leben als lexikalische Lücke" nur ein weiteres Buch der Autorin gelesen. Trotzdem führte am neuen Jugendbuch kein Weg vorbei. Und wieder hatte die Geschichte alles, was ich in diesem Genre lesen will: ein aktuelles, polarisierendes Thema, viel Authentizität und Gefühl, sowie echt-süße Romantik ohne Kitsch.

Jule hat sich im Leben Ziele gesetzt und ihre persönlichen Werte überdacht. Sie möchte etwas bewegen und verändern in ihrer Umwelt, und hat dafür auch einige Lebensgewohnheiten und -einstellungen hinterfragt. Leider passt das überhaupt nicht zum Weltbild ihrer Familie, wo Alltagsrassimus und Diskriminierung an der Tagesordnung sind.
Benni wird, wenn es nach ihm geht, wohl nie zu den coolen Jungs gehören. Von zu Hause lösen, seinen eigenen Weg gehen, das möchte er aber schon. Vor allem würde er sich gerne deutlich von seiner streng religiösen Mutter abgrenzen, die ihre Wertvorstellungen und Lebensinhalte ständig auf Benni übertragen will. Ein Praktikum in einem Krankenhaus soll ein erster Schritt zu einem eigenständigen Leben sein.
Als sich Jule und Benni über den Weg laufen, wird ihr Leben zwar nochmals um einiges komplizierter, aber gleichzeitig auch viel schöner und befreiender.

Man sieht, hier liegen die (plausiblen) Probleme förmlich in der Luft. Zu den Hintergründen, dem Gefühlszustand und den Charaktereigenschaften der Hauptpersonen Jule und Benni, kommen weitere Themen hinzu. Vor allem Rassismus, Diskriminierung, Aktivismus und vielleicht auch psychische Krankheiten. In manchen Büchern wirkt der Fokus auf ein polarisierendes oder aktuell-zeitgenössisches Thema eher angestrengt, in "Mein Leben als lexikalische Lücke" nicht. Die Geschichte ist mitreißend-humorvoll und so aktuell und natürlich, dass das Lesen eine Freude ist. Wahrscheinlich liegt es auch am vereinnahmenden und punktgenau-lässigen Stil, dass man das Buch kaum zur Seiten legen kann. Hier trifft Tiefsinn auf Originalität. Es passt wirklich alles.

Benni und Jule fühlen sich beide als Aussenseiter, als unpassend innerhalb ihrer Familie, als lexikalische Lücke eben, obwohl sie sich im Prinzip sicher sind, was sie wollen. Beide trauen sich nicht so ganz, für ihre Meinung einzustehen. Das ändert sich mit ihrer Begegnung. Das Aufeinandertreffen und die  Entwicklung von Benni und Jule zu verfolgen, hat etwas genauso Authentisches wie Einzigartiges. Dazu passend ist auch die Liebesgeschichte, die zwar jugendlich-süß, nerdig und offenherzig ist, deren Romantik aber nicht auf Kitsch setzt.
Gegen Ende gibt es einiges zu klären, auf einen überspitzten und dramatisierten Höhepunkt verzichtet die Autorin jedoch. Für mich ein großartiges Jugendbuch, eine Leseempfehlung, die man nicht verpassen darf.

Das Fazit
Hast du ein Buch von Kyra Groh gelesen, willst du alle lesen! So geht es zumindest mir, und "Mein Leben als lexikalische Lücke" hat das wieder einmal bestätigt. Die Geschichte greift aktuelle und polarisierende Themen auf und ist so humorvoll und mitreißend geschrieben, dass man sich kaum von den Seiten lösen kann. Beide Hauptcharaktere sind in ihrer Art und Meinungen besonders, gleichzeitig voll mit authentischen Gefühlen. So soll das sein. Und dann ist deren Lovestory auch noch pfiffig-süß, aber ohne Kitsch. Ganz wunderbar! 5 von 5 Sterne gibt es von mir.


© Damaris Metzger, www.damarisliest.de


Arctis Verlag (März 2021) - Hardcover, 448 Seiten - 18,00 € [D]
- ab 14 Jahren