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Montag, 30. Januar 2012

Rezension zu "Die Flucht" von Ally Condie



Verlag: FJB (Januar 2012)
Originaltitel: Crossed
Übersetzer: Stefanie Schäfer
Reihe: Band 2/3, ab ca. 14-17 J.
Ausführung: Hardcover/SU, 464 S.
ISBN: 978-3841421449
16,99 € [D]

Genre: Dystopie


Inhalt/Verlagsinfo
Wie durch ein Wunder gelingt Cassia die Flucht in die Äußeren Provinzen. Sie will nach Ky suchen, ihrer großen Liebe.
Dort kämpft Ky als Soldat für die Gesellschaft und ist ununterbrochen brutalen Angriffen ausgesetzt. Als Cassia endlich auf eine Spur von Ky stößt, ist er bereits entkommen und auf dem Weg in die wilden Canyons in den Grenzgebieten.

Verzweifelt macht sich Cassia auf den lebensgefährlichen Weg. Was wird sie am Ende der ihr bekannten Welt finden? Zwischen steinigen Schluchten und staubigen Pfaden sucht Cassia nicht nur nach Ky – sondern auch nach sich selbst. (Text- und Bildquelle: FJB)

Über die Autorin
Ally Condie stammt aus dem südlichen Utah, USA, einer wunderschönen Gegend, die der Landschaft in "Die Flucht" als Vorlage diente. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Salt Lake City. Nach ihrem Studium unterrichtete sie mehrere Jahre lang Englische Literatur in New York, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Ihre Romane um "Cassia & Ky" werden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und sind große internationale Bestseller.

Rezension

Der erste Satz: Ich stehe in einem Fluss.

Cassia muss zur Strafe für ihre Rebellion gegen die Gesellschaft in verschiedenen Arbeitslagern schwere körperliche Arbeit verrichten. Die Gedanken an Ky lassen sie nicht los und sie sucht verbissen nach einem Weg, um in die Äußeren Provinzen verlegt zu werden, wo sie Ky vermutet. Bei der ersten Gelegenheit packt sie diese beim Schopf und gelangt aus den inneren Gebieten der Gesellschaft in die Äußeren Provinzen. Doch Ky ist nicht mehr dort und Cassia fasst den Entschluss, alles Menschenmögliche auf sich zu nehmen, um Ky zu finden.
Währenddessen wurde Ky wirklich in die Äußeren Provinzen gebracht, wo die Gesellschaft ihn zwingt gegen den Feind, bzw. die Rebellen, zu kämpfen. Ky hat sofort erkannt, dass dies ein Vorwand ist. Ohne echte Munition und ausreichend Nahrung ist der Kampf aussichtslos. Die vielen jungen Männer hier dienen lediglich als Lockvögel, sowie billiges Kanonenfutter für den Feind. Um nicht im nächtlichen Kugelhagel zu sterben, flüchtet Ky in die angrenzenden Schluchten, die Canyons. Er sucht selbst einen Weg zu Cassia zurückzukehren, weiß aber nicht, dass er sich immer weiter von ihr entfernt.

Schon bevor man mich damals in Oria in den Zug bugsierte, wusste ich, dass die Gesellschaft uns niemals zu echten Kampfeinsätzen schicken würde. ... Was die Gesellschaft braucht - und wozu sie uns benutzt -, ist Kanonenfutter. Lockvogel-Dorfbewohner. Sie verlegt uns überall dorthin, wo Menschen gebraucht werden, um dem Feind als Ziel zu dienen. - S. 32, Ky

Ohne lange Vorrede erfährt man als Leser das unmittelbare Schicksal von Cassia und Ky, nachdem sie im Vorgängerband "Die Auswahl" von der Gesellschaft verhaftet worden sind. Für Ky, eine Aberration, eine der untersten Kategorien des Systems, gibt es wenig Hoffnung vom seinem Einsatz lebend zurückzukommen. Die Gesellschaft setzt die Aberrationen bewusst zum Sterben in den Äußeren Provinzen ab. Nur Cassia, die ihren Bürgerstatus behalten durfte, hat die Aussicht, nach Beendigung ihrer Strafarbeit ihr altes Leben unter der Kontrolle der Gesellschaft weiterzuführen.
Hatte Cassia ihre Geschichte im Vorgängerband noch alleine erzählt, gibt Frau Condie hier Cassia und auch Ky eine eigene Erzählperspektive. Durch die wechselnden Kapitel weiß der Leser unmittelbar, was sich an beiden Fronten abspielt. Dieses Schema zieht sich durch das ganze Buch.

Die Sprache ist sehr prägnant und aussagekräftig. Die Charaktere erzählen oft in kurzen Sätzen in der Ich-Form. Dazu im Präsens (Gegenwart), so dass man sich sehr nahe am Geschehen fühlt. Hier gibt es ebenfalls manch erschütternden Moment, der einem das Gefühl, in welchem System die Bürger hier leben, nicht näher bringen könnte. Frau Condie und die deutsche Übersetzerin haben hier alles richtig gemacht. Der Hang zu Lyrik, bzw. zu handlungsbegleitenden Gedichten bleibt dem Leser ebenfalls erhalten. Perfekt!
Auch die Beschreibung der Hauptcharaktere gelingt sehr gut. Cassia wirkt unscheinbar und angepasst. Dass sie das System hinterfragt und mittlerweile sogar hasst, wird aber zu keiner Zeit in Frage gestellt. Sie ist eine stille, aber beständige Kämpfernatur. Ky steht in "Die Flucht" viel mehr im Vordergrund, als noch in der Vorgeschichte. Das kommt vor allem daher, dass er hier seine eigene Erzählperspektive bekommen hat. Seine Gefühle teilt der dem Leser somit direkt mit, sie werden nicht durch Cassias Erzählung gefiltert. Man möchte sogar behaupten das Ky hier der authentischste Protagonist ist.
Andere Nebencharaktere bleiben dabei etwas blass oder undurchsichtig. Entweder sie kommen in der Handlung etwas zu kurz, man kann sie schlecht durchschauen oder man muss sich so bald wieder von ihnen trennen, dass keine echte Identifikation mit der betreffenden Person stattgefunden hat.

Durch einige Rückblenden erfährt man mehr von den Hauptcharakteren. Vor allem von Ky und seiner Vorgeschichte, aber auch von Dingen, die im Geheimen geschehen sind - als Cassia und Ky noch in der inneren Provinz der Gesellschaft gelebt haben. Manch bekannter Charakter sorgt für die ein oder andere Überraschung.
Leser, denen in Band 1 ein Fünkchen Romantik gefehlt hat, werden sich hier freuen. Es gibt einige innige Momente zwischen den beiden Hauptprotagonisten. Kitsch und Liebesgesäusel sucht man aber vergebens. Die zarten Gefühle der beiden werden hier intensiver und trotzdem sehr echt beschrieben. Dabei bleiben auch gewisse zwischenmenschliche Probleme und unterschiedliche Zukunftsvorstellung nicht aus. Beide Seiten sind plausibel. Man kann sich gut in Cassia und auch Ky hineinversetzen. Das Verständnis für Ky überwiegt allerdings ein wenig, seine Geschichte ist einfach sehr bewegend.

"Die Flucht" ist, genau wie sein Vorgänger, ein Buch der leisen Töne. Und das, obwohl das Setting komplett anders ist. Spielte "Die Auswahl" noch komplett innerhalb der Gesellschaft, sind die Protagonisten hier - titelpassend - auf der Flucht und stoßen bis in entfernte Randgebiete vor. Das sollte viel Potenzial für Spannung und Action bieten. Trotzdem bleibt gerade diese teilweise auf der Strecke und zwischen den Schluchten liegen. Bei so mancher Gefahrensituation kommt kein richtiges Actiongefühl auf. Oft soll Spannung erzeugt werden, indem z.B. ein Luftschiff der Gesellschaft über den Flüchtenden kreist oder sie eine besonders schwierige Kletterpassage bezwingen müssen. Doch meist geht alles gut. Entweder werden die Flüchtenden nicht gesehen, oder sie kommen, mal mehr und mal weniger, ungeschoren aus der Gefahrensituation heraus. Insgesamt erscheint Cassias und Kys Flucht recht einfach. Man kann prognostizieren, dass Lesern, denen die leisen Töne des ersten Bandes gefallen haben, auch an dieser Geschichte gefallen finden werden. Mehr darf man aber nicht erwarten.
Am Ende bleibt ein leichtes Déjà-vu-Gefühl, wieder am Anfang angekommen zu sein, nicht aus. Ist man vom Schluss erst noch etwas irritiert, gefallen Frau Condies Gedanken schließlich doch sehr gut. Man darf sich auf einen interessanten Abschluss der Serie freuen.

Persönliches Fazit
"Die Flucht" hatte mich nach dem ersten Kapitel. Ich habe mir ausgemalt, was ich erwarten kann, und genau das habe ich bekommen. So war "Die Flucht" für mich auch kein Flüchtchen, obwohl es zuweilen gerne etwas rasanter hätte zugehen können. Die leisen Töne haben aber gesiegt und auch hier meinen Nerv getroffen. Ein Buch, das mit seiner beständigen und emotionalen Art in einem Rutsch gelesen werden kann. Denn auch hier heißt es wieder "Geh nicht gelassen in die gute Nacht, Brenn, Alter, rase, wenn die Dämmerung lauert..." (Dylan Thomas). 4 rebellisch-verdiente Sterne!


Handlung: 3,5 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5

© Damaris Metzger, www.damarisliest.de



Reiheninfo Cassia & Ky Trilogie:

1. Die Auswahl (engl. Matched)
2. Die Flucht (engl. Crossed)
3. Die Ankunft (engl. Reached)