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Donnerstag, 19. Januar 2012

Rezension zu "Stadt aus Trug und Schatten" von Mechthild Gläser



Verlag: Loewe (Januar 2012)
Originaltitel: -
Übersetzer: -
Reihe: Band 1/2, ab ca. 13-16 J.
Ausführung: Hardcover/SU, 412 S.
ISBN: 978-3785574027
17,95 € [D]

Genre: Urban-Fantasy, Steampunk


Inhalt/Verlagsinfo
Flora fällt aus allen Wolken, als sie erfährt, dass ihre Seele seit jeher ein nächtliches Doppelleben in der geheimnisvollen Stadt Eisenheim führt. Von nun an wird sie nie wieder schlafen, ohne dass ihr Bewusstsein in die farblose Welt der Schatten wandert. Als wäre das nicht unerfreulich genug, hat ihre Seele offenbar den Weißen Löwen gestohlen, einen mächtigen alchemistischen Stein, nach dem sich nicht nur die Herrscher der Schattenwelt verzehren. Bald ist Flora selbst in der realen Welt vor den Gefahren Eisenheims nicht mehr sicher und eines ist klar: Sie kann niemandem trauen, nicht einmal Marian, der plötzlich in beiden Welten auftaucht und dessen Küsse vertrauter schmecken, als ihr lieb ist. (Bild- und Textquelle: Loewe Verlag)

Über die Autorin
Mechthild Gläser wurde im Sommer 1986 in Essen geboren. Auch heute lebt und arbeitet sie im Ruhrgebiet, wie sie sich ihrem Studium widmet und ab und an unfassbar schlecht Ballett tanzt - aber nur, wenn niemand hinsieht. Sie hat früh mit dem Schreiben begonnen und ihr Laptop steht noch immer auf der rosafarbenen Schreibtischunterlage, auf der ihre ersten Geschichten entstanden. Inspirationen findet sie überall, am besten jedoch bei einer Tasse Pfefferminztee.

Rezension

Der erste Satz: Pfeifend strich der Wind durch die Straßen der Stadt und kratze an den Fassaden der Häuser.

Es ist keine schöne Entdeckung, die Flora über ihr eigenes Leben machen muss. Zuerst sieht die 17-jährige nur formlose Schatten, dann beginnt sie sehr real zu träumen. Und plötzlich findet sie sich in Eisenheim, einer düsteren Stadt, in der Schatten-, bzw. Traumwelt wieder. Ab nun führt Flora ein Doppelleben. Das heißt, am Tag lebt sie in ihrer normalen Welt, geht mit ihren Freunden zur Schule und kümmert sich um ihren etwas planlosen Vater, samt Haushälterin. Sobald sie schläft, führt sie ein zweites Leben in der Schattenwelt, was konkret bedeutet, dass sie nie wieder schlafen wird. Den Sinn, den sie in der düsteren Traumwelt erfüllen soll, wird Flora schon sehr bald erfahren. Was hat der attraktive Austauschschüler Marian damit zu tun? Und wem von den Leuten in Eisenheim kann sie überhaupt trauen? Niemandem!

Das blonde Haar hing ihm zerzaust und fast weiß in die Stirn und seine vorher grünen Augen wirkten in dieser seltsamen Stadt wie graue Murmeln. Wie glänzendes Glas. Etwas in seinem harten Blick traf mich tief in meinem Innersten, ohne dass ich es hätte fassen oder gar erklären können. Es war ein seltsam vertrautes und doch fremdes Gefühl. - S. 43

Nie wieder schlafen! Für die meisten Leser ist allein der Gedanke zum Haareraufen. So solidarisiert man sich sogleich mit Hauptprotagonistin Flora, der die entspannende Ruhe des Schlafs ganz plötzlich genommen wird. Sympathisch ist, wie erstaunlich souverän sie damit umgeht. Obwohl auch sie sich Schöneres vorstellen könnte, wie jede Nacht in der Schattenwelt zu verbringen, lässt sich das quirlige Mädchen nicht unterkriegen. Flora erzählt die Geschichte aus eigener Sicht, in der Ich-Form, dazu noch sehr geradlinig, ohne die Erzählperspektive zu wechseln. Dadurch kann man der komplexen Handlung bestens folgen und heftet sich immer gespannt an Floras mutige Fersen, sobald sie auf eigene Faust loszieht, um Eisenheim zu erkunden.
Floras charakterliches Gegenüber, der Austauschschüler Marian, tritt da schon etwas farbloser (passend zur Schwarz-Weiß-Szenerie in der Schattenwelt) in Erscheinung. Es müssen seine finnischen Wurzeln sein, die den blassen Schönling zuweilen etwas (zu) ruhig und eigenbrötlerisch erscheinen lassen. Zum Glück gelingt es dem kühlen Finnen bald, über seinen düsteren Schatten zu springen. Spätestens wenn man erfährt, dass seine Zurückgezogenheit einen berechtigten Grund hat, will man mehr von ihm wissen und kann es kaum erwarten, bis sein blonder Schopf das nächste Mal in der Geschichte auftaucht.

Da die Handlung zwischen der Stadt Essen (in der realen Welt) und Eisenheim (in der Schattenwelt) abwechselt, verliert das Buch nie an Spannung. Die Aufteilung zwischen der Einführung und dem Kennenlernen der Schattenwelt ist perfekt gelungen. Gleichzeitig wird auch die eigentliche Handlung vorangebracht. Der Leser bekommt genug Informationen um sich zurechtzufinden, wird mit diesen aber nicht erschlagen. So stolpert man mit Flora von einer spannenden Szene in die nächste. Langeweile ade!
"Stadt aus Trug und Schatten" ist ein Dilogieauftrakt, dem man nicht nachsagen kann, ein Einführungsband zu sein. Der Plot hat eine ganz eigene Dynamik und kommt sehr schnell in Schwung.

Sprachlich sticht die Geschichte aus der Masse nicht unmittelbar hervor. Einige Sätze lesen sich etwas holprig, beeinträchtigen das Lesegefühl und die Spannung aber nicht direkt. Dieser Umstand dürfte vor allem Viellesern auffallen. Einige Teile der Geschichte wirken sehr nüchtern, wobei andere wieder sehr gefühlvoll geschrieben sind.
Im krassen Gegensatz zum edlen und Girly-Pink angehauchten Buchcover, ist die Geschichte eher düster und Eisenheim verdreckt und abgewohnt. Das scheint auf den ersten Blick nicht zu harmonieren, hat aber einen ganz eigenen Reiz, wenn man vom Cover nicht direkt auf den Inhalt schließen kann. Dafür könnte der Buchtitel nicht besser gewählt sein.

Mechthild Gläser glänzt in ihrem Debütroman mit exzellenten Ideen. Die Gegensätze zwischen realer und fiktiver Welt sind wunderbar gewählt. So deutlich, dass man ein genaues Bild vor Augen hat, aber nicht zu abstakt, so dass man sich gut in der Schattenwelt zurechtfindet. Gerade die guten Ideen sind es, die den Roman in keine eindeutige Genre-Schublade stecken. Ein bisschen Urban-Fantasy hier, ein bisschen Steampunk dort. Ein wunderbarer Mix!

Persönliches Fazit
Wer "Stadt aus Trug und Schatten" ein Schattendasein auf seiner Wunschliste fristen lässt, ist selbst Schuld! Trotz düsterer Thematik leuchtet die Geschichte durch neue Ideen in einem wunderbaren Genremix. Das Buch ist durchweg spannend und steigert sich am Schluss zu einem rasanten Finale. Besonders gefällt, dass die Autorin einen bei vielen Fragen nicht im Dunkeln lässt. Die Geschichte ist für diesen Teil gut zu Ende gebracht worden. Dabei bietet sie genug (Konflikt)Potenzial, vor allem zwischen Flora und Marian, um interessant und spannend fortgesetzt zu werden. Darum gebe ich gerne - und ohne Lug und Trug - 4 Sterne!


Handlung: 4 / 5
Charaktere: 3,5 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5

© Damaris Metzger, www.damarisliest.de


Reiheninfo zur Schattenwelt-Dilogie:


Band 1 "Stadt aus Trug und Schatten"