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Montag, 20. Juni 2011

Rezension zu "Der Kuss des Kjer" von Lynn Raven

Verlag: cbt (Juni 2010)
Ausführung: Taschenbuch, 608 Seiten
ISBN: 978-3570304891
12,95 € [D]

Genre: High-Fantasy


Klappentext
Mit einem Trick bringt Mordan, der erste Heerführer der kriegerischen Kjer, die junge Heilerin Lijanas vom Volk der Nivard in seine Gewalt. Im Auftrag seines Königs Haffren will er die Heilerin und ein zauberkräftiges Elixier, die "Tränen der weißen Schlange", an den Hof bringen.
Lijanas aber hat nur einen Gedanken: Flucht! Doch je näher sie den als "Blutwolf" verschrienen Mordan kennenlernt, desto stärker fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Und er sich ebenso zu ihr. Er setzt alles dran, sie sicher an den Hof seines Königs zu bringen. Dort erwartet sie jedoch eine tödliche Überraschung …

Über die Autorin
Lynn Raven lebte in Neuengland, USA, ehe es sie trotz ihrer Liebe zur wildromantischen Felsenküste Maines nach Deutschland verschlug. Nachdem sie zwischenzeitlich in die USA zurückgekehrt war, spingt sie derzeit nicht nur zwischen der High- und der Dark-Fantasy hin und her, sondern auch zwischen den Kontinenten und ist unter den Namen Lynn Raven und Alex Morrin erfolgreich. Im Internet ist die Autorin unter www.lynn-raven.com zu finden.

Rezension

Der erste Satz: Der Sturm riss heulend an ihrem blutbesudelten Gewand und peitschte ihr Schnee und Hagel entgegen.

Lijanas und Mordan, zwei komplett unterschiedliche Menschen, bzw. Kjer. Sie eine Heilerin aus dem Volk der Nivard, er ein Herrführer der kriegerischen Kjer. Beide Stämme sind bis aufs Blut verfeindet, doch Mordan lässt sich seine Verwunderung nicht anmerken, als er Lijanas an den Hof seines Königs bringen soll. Ein gefährliches Unterfangen, eine wochenlange Reise und der Zwang zum Erfolg dürfen ihn nicht zweifeln lassen, weil er als erster Heerführer den Befehlen des Königs blind gehorchen muss.

So schafft er es auch nur mit einer List, die Heilerin aus dem streng bewachten Anschara zu entführen. Doch damit ist noch nichts gewonnen, denn Lijanas zeigt Krallen und wehrt sich heftigst, vor allem verbal und durch Ungehorsam, gegen ihren Entführer. Eine lange, gefährliche Reise nach Turas beginnt, auf der nicht nur Lijanas sondern auch Morden mehr über sich und den anderen erfahren sollen.

"Der Kuss des Kjer" ist ein klassisches High-Fantasy Buch. Die Geschichte spielt in einem fremden Land mit fremden Kulturen. Als Leser muss man sich viele Namen, Personen und Orte merken. Eine Landkarte, wie sonst oft üblich, findet man im Buch nicht. Nach der typischen Leseeingewöhnung findet man allerdings schnell und flüssig ins Geschehen, was einem durch den farbenfrohen, bildlichen Schreibstil der Autorin noch zusätzlich erleichtert wird.

Und bald stellt man fest, "Der Kuss des Kjer" ist anders, anders erfrischend! Vor allem die Hauptpersonen haben dieses "gewisse Etwas", das sie sofort zu Sympathieträgern macht. Mordan ist ein sehr harter Krieger, stur, gewalttätig und teils auch brutal. Auch optisch ist er nicht der typische Schönling, sondern ein Kämpfer mit Narben, Fellstellen und Reiszähnen. Doch spürt man schnell, dass in der harten Schale ein weicher Kern schlummert. Lijanas dagegen ist alles andere, als ein verängstigtes Mäuschen. Herrlich schlagfertig setzt sie sich gegen ihren Entführer zur Wehr, was dem Leser viele Lacher garantiert. Die Streitereien der beiden sind köstlich und lassen einen beim Lesen ständig schmunzeln. So wird die ganze Geschichte von einem subtilen Humor begleitet, der das Lesen zum Vergnügen macht.

Anders, als es der Klappentext verspricht, liegt der Fokus der Geschichte nicht auf der sich annähernden Liebesbeziehung zwischen Mordan und Lijanas. Während der Handlung spürt man die Annäherung der beiden eher als schwaches Band, welches im Verlauf der Geschichte immer stärker wird. Doch das macht die Geschichte aus. Diese unterschwellige, nicht offensichtliche, immer stärker werdende Liebe. Selbst die Hauptpersonen sind ich ihrer Gefühle lange nicht sicher und so ist es nicht verwunderlich, dass Mordan und Lijanas erst nach ca. 500 Seiten beim vertrauten "du" ankommen.

Schon wieder dieses Wort. Er hatte sie schon einmal damit angesprochen. "Mordan?"
"Hmm?"
"Dieses Wort eben - Ell..."
"Elljén."
"Ja. - Was bedeutet es?"
Er hob das Öllicht und blieb stehen. "Kostbarkeit. ..." S. 501

Obwohl sich fast das ganze Buch um die "Überführung" von Lijanas von Anschara nach Turas dreht, hat die Geschichte keine einzige Länge. Gekonnt wechselt die Autorin zwischen Action, Spannung und Dramatik ab.
Die Handlung im Buch ist stellenweise sehr schonungslos und brutal. Vielleicht etwas zu brutal für junge Jugendliche. Für den vertrauten High-Fantasy Leser, sind Kämpfe, Blut und Tod aber bekannt. Das Ende ist sehr hart und rasant, und der Leser fragt sich im hinteren Drittel zwangsläufig, ob die Geschichte zu einem stimmigen Abschluss gebracht werden kann. Sie kann!

Persönliches Fazit
"Der Kuss des Kjer" war für mich ein High-Fantasy Roman der Extraklasse! Spannend, mitreißend und sehr gefühlvoll. Besonders diese subtile Liebesbeziehung zwischen Mordan und Lijanas hat mir sehr gut gefallen. Sie ist eben keine Frau, die sich ihrem Entführer nach 100 Seiten an den Hals wirft. Und auch er hält bis zum Schluss an seinem harten Befehl fest, obwohl er Gefühle für diese Frau entwickelt. Das ist für mich mal wirklich eine konsequente Handlung, ohne Wenn und Aber!

Ganz frei von Kritik kann ich allerdings nicht sein. Die Geschichte hat mehrere Handlungsstränge, die alle einleuchtend und gut herausgearbeitet wurden. Einzig die Hintergrundgeschichte zu Lijanas (Seelenhexe & Cogén) kommt etwas zu kurz. Die Visionen von Lijanas gegen Ende finde ich etwas verwirrend und viel, und auch die Auflösung um Mordans Kampfgefährte Levan ist mir, nachdem sie einen lange begleitet hat, etwas zu einfach und schnell.

Das Buch ist abgeschlossen, doch mittlerweile schließt die Autorin eine Fortsetzung, bzw. Rückkehr zu Mordan und Lijanas nicht aus. Wer weiß, vielleicht werden dann die Hintergründe noch etwas näher beleuchtet.
Kurz hatte ich überlegt, ob ich wegen der o.g. Kritik einen Stern abziehen soll, aber das hat "Der Kuss des Kjer" in seiner Gesamtheit nicht verdient. Für mich ein grossartiges Buch. 5 Sterne!

Handlung: 4 / 5
Charaktere: 5 / 5
Lesespaß: 5 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5