Blanvalet (April 2011),
Taschenbuch, 304 Seiten,
8,99 € [D]
Taschenbuch, 304 Seiten,
8,99 € [D]
Mia muss sich entscheiden: Soll sie bei ihrem Freund Adam und ihrer Familie
bleiben - oder ihrer großen Liebe zur Musik folgen und mit ihrem Cello nach New
York gehen? Und dann ist von einer Sekunde auf die andere nichts mehr, wie es
war: Auf eisglatter Fahrbahn rast ein Lkw in das Auto, in dem Mia mit ihrer
Familie sitzt. Sie verliert ihre Familie und steht vor der Entscheidung ihres
Lebens: Bleiben oder gehen? Lieben oder sterben?
Meine Meinung
Mia ist ein Ausnahmetalent. Schon in ihren jungen Jahren hat sich herausgestellt, dass das Cellospielen ihr großes Talent ist. Jetzt, als Teenager, ist sie so gut darin, dass sie ernsthaft mit den Gedanken spielt, an eine Musik-Uni in New York zu gehen, die nur die Besten der Besten aufnimmt. Von ihren Eltern, selbst Musiker, erhält Mia die größtmögliche Unterstützung. Ihr Freund Adam steht ebenfalls hinter ihr, auch wenn ihre Beziehung sich dadurch verkomplizieren könnte. Adams Band "Shooting Star" ist gerade dabei den großen Durchbruch zu schaffen.
So macht sich Mia die Entscheidung nicht leicht. Makaberer Weise wird sie ihr plötzlich abgenommen, als Mias Familie bei einem Ausflug auseinandergerissen wird. Ein Lastwagen rast in ihr Auto. Mias Eltern sind sofort tot, das Schicksal ihres kleinen Bruders ungewiss. Mia selbst ist so schwer verletzt, dass es nicht mehr in der Hand der Ärzte liegt, ob sie überleben wird. Ab hier steht Mia praktisch als Beobachter neben sich. Nach Abwägung des Für und Wieder muss sie eine viel härtere Entscheidung treffen. Nämlich weiterzuleben oder zu sterben.
Ich-Erzählerin Mia führt den Leser durch ihre Vorgeschichte und die aktuellen Ereignisse. Da sie als stille, bzw. unsichtbare Beobachterin an den Geschehnissen teilnimmt, erlebt sie diese zwar als Betroffene, aber gleichzeitig auch als Außenstehende. Genug Zeit also, um sich über den Weitergang des eigenen Lebens klar zu werden. Mia erkennt bald, dass die Entscheidung, zu leben oder zu sterben, alles andere als leicht ist.
Ob ich bleibe, ob ich lebe: Es liegt an mir. ... Wie soll ich das entscheiden? Wie kann ich bleiben ohne meine Mutter und meinen Vater? Wie kann ich gehen ohne Teddy? Oder ohne Adam? Das ist zu viel. ...
Ich entscheide. Das weiß ich jetzt.
Und die Vorstellung erschreckt mich mehr als alles andere, was heute geschehen ist. S. 109
Dabei ist die Sprache des Buches gar nicht mal so besonders. In einer lockeren Erzählart nahm Mia mich mit in ihre Vergangenheit und ließ mich an ihren augenblicklichen Überlegungen teilhaben. Und gerade deshalb fühlte ich mich so, als wäre ich live dabei. Darum war ich von der Geschichte auch so ergriffen, dass mir an teilweise normalen Erzählstellen, die Tränen in die Augen schossen. Besonders dann, wenn der unglaubliche Zusammenhalt von Mias Familie deutlich wird. Die Eltern sind selbst Musiker, kommen aber aus der Punk-/ und Rockszene. Sie unterstützen Mia voll in ihrer Liebe zur klassischen Musik. Die Familie ist alles andere als konventionell, trotzdem ist die Liebe unter ihnen total greifbar. Auch die Beziehung zu ihrem Freund Adam ist etwas ganz besonderes. Und das soll so plötzlich alles nicht mehr sein? Da wollte ich am liebsten selbst verzweifeln und konnte Mias Tendenz, ohne dies alles nicht mehr leben zu können/wollen, voll verstehen. Nie und nimmer, will ich diese Entscheidung treffen müssen!
Wie wäre es, wenn ich mich entscheiden würde zu bleiben? Wie würde es sich anfühlen als Waise aufzuwachsen? Niemals mehr den Pfeifentabak meines Vaters zu riechen, niemals mehr gemeinsam mit meiner Mutter das Geschirr zu spülen und mit ihr zu reden? Niemals mehr Teddy ein Kapitel aus Harry Potter vorzulesen? Hierzubleiben, ohne sie?
Ich bin mir nicht sicher, ob dies noch eine Welt ist, in die ich gehöre. Ich bin mir nicht sicher, ob ich aufwachen will. S. 192
Das Buch erscheint als ziemlich harte Kost. Aber diese Annahme wäre zu eindimensional. Natürlich ist es sehr emotional und ließ mich fast die komplette Gefühlspalette durchlaufen: Schock, Trauer und Mitleid, aber auch Glück, Freude und Verständnis. So ist das Lesen nicht nur einfach, sondern auch unheimlich bereichernd. "Wenn ich bleibe" sollte sich keiner entgehen lassen!
Schlussendlich gibt Mias Freund Adam ihr den Schubs für die Entscheidung, die für sie richtig ist. Und auch, wenn man beim Lesen eine eigene Entscheidung für sich getroffen hat, so wäre diejenige, die Mia trifft in diesem Moment richtig. So findet auch Mias Großvater genau die richtigen Wort, denn zu leben oder zu sterben - entscheiden muss Mia selbst.
"Es ist in Ordnung", sagte er zu mir. "Wenn du gehen willst, ist das in Ordnung. Alle wollen, dass du bleibst. Ich will, dass du bleibst, mehr als alles, was ich je gewolllt habe". Seine Stimme bricht. Er verstummt, räuspert sich, holt tief Atem und fährt fort: "Aber das ist mein Wunsch, und ich kann verstehen, wenn es nicht das ist, was du willst. Ich wollte dir nur sagen, dass ich es akzeptiere, wenn du gehst. ..." S. 211
© Damaris Metzger, damarisliest.de
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