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Donnerstag, 5. September 2013

Rezension zu "Legend: Schwelender Sturm" von Marie Lu



Verlag: Loewe (September 2013)
Originaltitel: Prodigy
Übersetzer: Sandra Knuffinke u. Jessika Komina
Reihe: Band 2/3, ab ca. 14-17 J.
Ausführung: Hardcover/SU, 448 S.
ISBN: 978-3785573952
17,95 € [D]

Genre: Dystopie

© Cover- und Zitatrechte: Loewe Verlag


Das Thema
Day und June konnten aus der Batalla-Zentrale in Los Angeles fliehen, in der Day nur ganz knapp seiner Hinrichtung entkommen ist. Jetzt sind die beiden auf dem Weg nach Las Vegas. Dort wollen sie sich dem Widerstand, den Patrioten, anschließen und die Republik bekämpfen. Day erhofft sich von den Patrioten außerdem Hilfe bei der Rettung seines kleinen Bruders Eden, den die Republik gefangen hält.
In Las Vegas angekommen, sind die Patrioten auch gerne bereit Day zu helfen, aber nicht ohne Gegenleistung. Day und June sollen den jungen Elektor Anden töten, den neuen Diktator der Republik und der Unterdrückung damit ein Ende bereiten. Zuerst klingt das alles plausibel. Doch als June Elektor Anden persönlich kennenlernt, kommen ihr erste Zweifel. Was, wenn die Ansichten der Patrioten gar nicht richtig sind?

Die Rezension

Der Anfang: Neben mir schreckt Day aus dem Schlaf hoch.

Exakt ein Jahr ist seit der Veröffentlichung des ersten Bandes "Legend: Fallender Himmel" vergangen. Und weil es mittlerweile Dystopien wie Sand am Meer gibt, der erste Band jedoch hochlobend bewertet wurde, sind die Erwartungen in Band 2 "Schwelender Sturm" natürlich immens. Dabei kann ein Mittelband erfahrungsgemäß oft nicht an den Vorgänger anschließen. Jetzt ist das Buch also erschienen und der Verlag präsentiert es gewohnt wertig in einem hübschen fliederfarbenen Lila mit Goldprägung. Okay, über den Farbgeschmack lässt sich ja bekanntlich immer streiten. Über den Inhalt diesmal nicht. Dieser ist grandios! Noch mal deutlich, damit es jeder versteht, G-R-A-N-D-I-O-S!!

Was bin ich schon [...] - ein Junge von der Straße mit gerade mal zwei Noten in der Hosentasche, der allen Ernstes meint, er könnte dieses Mädchen an sich binden, nur weil er ein paar Wochen mit ihm verbracht hat? Habe ich etwa vergessen, dass June aus der Oberschicht stammt [...], während ich in den Straßen von Lake die Mülltonnen nach Essen durchwühlt habe? - Day, S. 67

Die Handlung knüpft neun Tage an die Ereignisse der ersten Bandes an. Day und June sind in einem Eisenbahnwagon auf dem Weg nach Las Vegas. Die Stimmung zwischen den beiden wirkt freundlich umsorgend aber auch etwas distanziert und unsicher. Kein Wunder, nach den Erfahrungen, die nur wenige Tage und Wochen zurückliegen. Marie Lu erschafft in diesem Band eine Charaktertiefe, die Band 1 noch übertrifft. Man merkt, dass sie sich intensiv mit ihren Protagonisten und deren Gefühlen beschäftigt hat. Die Erzählperspektive wechselt wieder konstant, nach jedem Kapitel, zwischen Day und June ab, was einen großen Bezug zu beiden Charakteren schafft. Man möchte immer wissen, was im jeweils anderen Protagonisten vorgeht. Die Form (Ich-Perspektive, Präsens) ist für das Buch goldrichtig.

Day ist körperlich verletzt und sehr verzweifelt seinen kleinen Bruder Eden zu finden. Die vergangenen Ereignisse nagen an ihm. Trotzdem ist seine Zuneigung zu June riesengroß, aber auch geprägt von einer großen Unsicherheit, ob June diese Zuneigung im gleichen Umfang erwidert und ob sie wirklich gegen die Republik vorgehen will.
June, die ehemalige Elitesoldatin, beobachtet und analysiert jede Situation bis ins kleinste Detail. Das wird im Buch wunderbar durch Gedankenklammern verdeutlicht (und ist teilweise zum Schmunzeln WIE genau sie Dinge aufnimmt). Sie ist immer wachsam und überlegend, wirkt dadurch oft sehr kühl. June empfindet viel für Day, aber auch ihre Gedanken sind in Aufruhr. Sie ist sich nämlich überhaupt nicht sicher, ob sie die Republik (ihren ehemaligen Arbeitgeber und Heimat) wirklich bekämpfen will.

Ich sollte genauso mitgerissen sein. Doch aus irgendeinem Grund erfasst mich bei dem Gedanken, die Republik zum Zusammenbruch zu bringen, noch immer eine Welle der Übelkeit. [...] das Gefühl bleibt, wenn auch zusammen mit einem Anflug von Scham und Selbstverachtung. Nichts ist mehr so, wie ich es einst kannte. - June, S. 64

Die Besonderheit der Legend-Trilogie liegt nicht nur an der Weltengestaltung. Diese ist in den Grundgedanken nicht ganz unbekannt, aber sehr differenziert ausgearbeitet. Man hat eine genaue Vorstellung von jeder Begebenheit.
Sehr besonders macht die Geschichte das unwahrscheinlich junge Alter (15!) der Hauptprotagonisten. Ganz objektiv; fertig ausgebildete Elitekämpferin mit 15? Ist das nicht etwas unrealistisch? Nein, denn durch die Umstände in denen June, wie auch Day, leben, haben sie früh eine große Reife entwickeln müssen. Außerdem sind beide so genannte Wunderkinder. So wirken die Bücher nie unüberlegt, eben besonders-anders.

"Legend: Schwelender Sturm" hat eine Handlung der Spitzenklasse. Es ist absolut nicht vorhersehbar und Marie Lu scheut nicht den zwischenmenschlichen- und Gewissenskonflikt ihrer Hauptprotagonisten. Keine einzige Handlung wirkt gehetzt oder beschleunigt, das Buch hinterlässt das Gefühl eines kleinen Epos. Obwohl es viel Action und Spannung gibt, wirkt die Grundhandlung des Buches ruhig und überlegt. Im letzten Buchviertel gipfelt die Story dann in ein filmreifes Actionfinale, welches den Leser in permanenter Anspannung lesen lässt. Hier kommen Handlungen auf einen zu, die tief bewegen (mit dickem Klos im Hals oder Tränen in den Augen) und einen komplett vereinnahmen. Das ist ganz großes Kopfkino!
Das Ende birgt eine schockierende Wendung und macht sehr traurig. Auch wenn man diesen Punkt teilweise vielleicht in Erwägung gezogen hat, es nimmt einen richtig mit. Wieder einmal folgt ein grausames Warten auf das Trilogiefinale.

Das persönliche Fazit
"Legend: Schwelender Sturm" ist eine YA-Dystopie auf höchstem Qualitätsniveau. Ich war komplett überrascht einen Mittelband zu lesen, der mich derart begeisterte. Die Charaktere und deren konfliktbelastete Ausarbeitung sind eine Freude! Ich wollte keine Gefühlsregung verpassen, war bei der Handlung permanent am Ball und gegen Ende emotional so mitgerissen, dass ich nach dem Lesen regelrecht ausgepowert war (ähnlich, wie es die Autorin in ihrer Danksagung beschreibt). Wer "Fallender Himmel" mochte wird "Schwelender Sturm" lieben, obwohl die Handlung sich hier unterscheidet, Gefühle tiefer gehen und Konflikte nicht ausbleiben. Nicht lange auf der Wunschliste schwelen lassen, sondern lesen! 5 Sterne - Lieblingsbuchstatus.

Handlung: 5 / 5
Charaktere: 5 / 5
Lesespaß: 5 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5

© Damaris Metzger, damarisliest.de



Reiheninfo und Lesenswertes zur Legend-Trilogie:

Band 1 - "Legend: Fallender Himmel"
Band 2 - "Legend: Schwelender Sturm"
Band 3 - "Legend: Berstende Sterne"