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Freitag, 2. März 2018

"Mausmeer" von Tamara Bach



Das Thema
Nur dieses eine Wochenende. Nur noch einmal in Opas altes Haus am Arsch der Welt, hier war alles immer gut. Nur das will Ben, der gerade achtzehn geworden ist und irgendwie festhängt - in der Schule, in der Familie, im Leben. Ein paar Tage raus aus allem. Zusammen mit Annika, der großen Schwester, die doch immer die Vernünftigere war. Einen Spaziergang, ein Osterfeuer und einen umgefallenen Tisch und die Folgen später sieht nicht mehr alles so aus wie vorher.

© Klappentext-, Cover- und Zitatrechte: Carlsen Verlag


Mein Kopf tut weh, mein Alles tut weh, mein Leben tut mir weh, dabei habe ich gar nicht so viel getrunken. Meine Jugend tut mir weh. Meine Zuversicht.
Die ist angeknackst, die ist geprellt, die ist verstaucht, infiziert.
Ich will ein ernstes Wort mit Peter Pan reden. Ich will, dass er sich meiner annimmt. Ich will, dass es eine Karriere ist, sich einer Bande verlorener Jungen anzuschließen.
Ich will nach Hause und will nicht nach Hause. Ich will verschwinden.
Ich will nie erwachsen werden.
- S. 110


Das Leseerlebnis
Ich wünschte, du könntest mich sehen. Wie ich hier sitze, den Kopf in die Hände gestützt, überlegend, was ich schreiben soll. Ja, genau du, die/der du dich vielleicht für "Mausmeer" interessierst. Ich wünschte, ich könnte beschreiben, wie sehr mich das Buch beeindruckt hat, leise begeistert hat. Und jetzt fällt es mir doch schwer wiederzugeben, was dieses Buch ausmacht. Eventuell gelingt es mir ein bisschen.

Er sagt "Hey", sagt es laut. (S. 5) - Ein Junge, kommt zu einem Mädchen ins Zimmer, weckt sie auf und zappelt rum. Sie fragt sich, wie er bis zu ihr ins Dachgeschoss geklettert ist, noch nicht ahnend, dass sie die Osterfeiertage komplett mit ihm gemeinsam verbringen wird. Warum geht man nur immer automatisch davon aus, dass wenn ein Junge und ein Mädchen aufeinander treffen, es sich um ein (mögliches) Paar handelt? Auch hier nahm ich das an. Erst später, aus dem Kontext der Geschichte, wird klar, dass es um Bruder und Schwester geht - Ben und Annika.
Vielleicht liegt es am Schreibstil, den die Autorin hier verwendet, dass ich mich anfangs erst in die Geschichte finden musste. Denn eigentlich ist dieser ganz einfach und direkt, dabei aber doch auch ungewöhnlich. Tamara Bach schreibt 'wie man denkt', mit kurzen Sätzen, in denen Ausführungen manchmal nur angeschnitten werden, der Leser in diesem Fall mitdenken muss. Probleme macht das nicht, aber es ist besonders. Nach kurzer Zeit ging völlig darin auf (diese Märchenmetaphern!), war komplett vereinnahmt, und fragte mich mehrmals, wie es einer Autorin gelingen kann, so genial zu schreiben.

Jugendliche sind Ben und Annika nicht mehr, Ben ist gerade achtzehn geworden, Annika ist älter, sie studiert. Und es ist Ben, der Annika 'entführt'. In das alte Haus des Großvaters, das sowieso verkauft werden soll, sobald die Eltern aus dem Osterurlaub zurückkommen. Warum Ben dort Zeit mit seiner Schwester verbringen möchte, weiß er wohl selbst nicht so genau. Er weiß auch nicht, was jetzt wird, nachdem er die Schule abgebrochen hat und er die Erwartungen seiner Eltern/Familie ganz sicher nicht mehr erfüllt. Ben weiß nur, dass ihm alles zu viel ist. Er hat sich verloren. Und vielleicht hofft er, durch die Beziehung zu seiner Schwester (die nie unproblematisch war) Antworten zu finden.

"Mausmeer" ist ein leises, ein stilles Buch, das mich aber durch die Wucht der Gedanken, die ich von den Protagonisten zu hören meinte, mehrfach stark getroffen hat. Wie nachvollziehbar diese doch waren. Wie echt und unverstellt. In der Geschichte geht es nicht um eine Tragödie, eine große/unerwiderte/dramatische Liebe oder ausweglose Situation. Tamara Bach gelang hier ein Roman, der sich mit scheinbaren Alltagsgedanken und auch Zukunftsängsten auseinandersetzt, sich dabei aber absolut treu bleibt. Und so geht die Geschichte zu Ende wie sie begonnen hat - glaubwürdig und leise. Ich hörte sie gerade darum.

Das Fazit
Vielleicht ist "Mausmeer" ein Roman, den man erst auf den zweiten Blick schätzen lernt. Vielleicht trifft einen die Geschichte aber auch mit voller Wucht, so wie mich. Tamara Bachs wunderbarer Stil ist genau meiner, ihr Buch für mich so besonders, dass es zu meinen literarischen Schätzen zählt. Es ist ruhig, es ist sehr dicht und es ist unmissverständlich bildgewaltig. Und wer jetzt wissen möchte, was es mit diesem Meer einer Maus auf sich hat, der muss das Buch lesen. Klare 5 von 5 Sterne vergebe ich.


© Damaris Metzger, www.damarisliest.de


Carlsen Verlag (Februar 2018) - Hardcover mit Schutzumschlag, 144 Seiten - 12,99 € [D]
- ab 14 Jahren