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Samstag, 9. Juni 2018

Die Wahrhaftigkeit im Jugendbuch


Jede Buchsparte bedient eine bestimmt Zielgruppe, die des Jugendbuchs lässt sich schon aus dem Namen ableiten. Literatur steht jedoch immer für den persönlichen Lesegeschmack und die eigene Einstellung, so entdecken auch viele erwachsene Leser die Rubrik Jugendbuch für sich. Was macht diese Bücher nun so besonders? Über die Bedeutung des Lesens könne ich einen eigenen Artikel schreiben, heute ist nur wichtig, dass ich meine Lesevorlieben (zumeist) im Jugendbuch finde. Hier bekomme ich alles, was ich lesen will. Das kann Unterhaltung sein oder Tiefsinn, aber auch Meinungsbildung oder einfach Zerstreuung.

Manchmal laufen mir Bücher über den Weg, die sich festsetzen. Die mir lange oder für immer in Gedanken bleiben, weil sie wahrhaftig sind. Wahrhaftigkeit zu definieren ist umfangreich, für mich bedeutet sie vor allem Authentizität und Ehrlichkeit. Zuletzt fand ich Wahrhaftigkeit in den Büchern von Tamara Bauch. In allen sechs, die ich gelesen habe. Das ist selten und war für mich eine besondere Erfahrung. So ähnlich ging es auch Nanni von Fantasie und Träumerei. Im gleichen Zeitraum haben wir die gleichen Tamara-Bach-Bücher gelesen und uns darüber ausgetauscht.



Bei mir ging es mit "Vierzehn" los, das ich signiert von der Frankfurter Buchmesse mit nach Hause brachte. Und weil es so schon dünn war, habe ich es auch sofort gelesen ... und war völlig geflasht. Dieser ungewöhnliche Stil! Diese enorme Ausdruckskraft! Es geht um ein Mädchen, das zurück an die Schule kommt, das vor den Sommerferien krank wurde, und darum nicht mit ihren Freunden in den Urlaub fahren konnte. Klingt das banal? Mag sein, aber das Buch war mega authentisch und hat mich einfach nur beeindruckt.
Danach war klar, ich will mehr von der Autorin lesen! "Mausmeer", das aktuellste Buch von Tamara Bach folgte. Es war ebenso klasse und ebenso bedeutsam. Die Geschichte eines Jungen, dem alles zu viel wird und der darum mit seiner Schwester ein paar Tage Auszeit im Haus der Großvaters nimmt, traf mich mit voller Wucht. In meinem Kopf reiften Fragen an die Autorin. Drei davon hat sie mir ganz aktuell beantwortet ...


Es gibt Bücher, die unterhalten, amüsieren oder auch mal herausfordern. Und es gibt Bücher, die wahrhaftig sind. Was bedeutet für dich persönlich Wahrhaftigkeit im Jugendbuch?

Tamara Bach: Dass ich mich in der Geschichte verliere und vergesse, dass das hier ein Buch ist, das sich jemand mal ausgedacht oder vielleicht geplant hat. Sobald ich sehe, was jemand evozieren will, weil die Geschichte nicht genug trägt, weil die Figuren nur zweidimensional bleiben, dann ist da keine Wahrhaftigkeit. Das ist Blutleere. Manche sagen dazu "man hört das Papier rascheln", was nichts gutes ist. Man hört eben, welche Absicht der Autor hatte, aber es bleibt alles am Reißbrett und überträgt sich nicht auf den Leser. Das gilt aber für alle Geschichten, nicht nur die für Jugendliche.

Die Themen deiner Bücher könnte man fast schon als banal, oder besser ausgedrückt, als alltäglich bezeichnen. Für die Protagonisten der Geschichten sind sie jedoch existenziell. Nach welchen Kriterien wählst du deine Themen aus? Musst du aktiv auf "Themensuche" gehen oder fliegen diese dir eher zu?

Tamara Bach: Die erzählen mir die Figuren, während ich über sie schreibe.

Wie wichtig ist dir, dass sich junge Leser mit deinen Romanen identifizieren können, oder eine eigene Bedeutung für ihr Leben darin erkennen können? Spielt das überhaupt eine Rolle?

Tamara Bach: Beim Schreiben spielt das gar keine Rolle. Ich kann nicht jeden glücklich machen. Es wird einen Haufen Leser geben, die sich nicht identifizieren können, und ich weiß auch nicht, warum man sich immer mit Hauptfiguren identifizieren muss. Ich kann ja auch Taxi Driver sehen, ohne selbst so ein kaputter Mensch zu sein, der an der Welt verzweifelt. Ich muss keine möglichst große Schnittmenge mit einem Protagonisten haben, um an seiner Geschichte interessiert zu sein. Wichtig beim Schreiben ist, dass mich die Geschichte interessiert. Dass ich mich nicht langweile. Dass ich Anteil habe. (Aber: ich bin nicht meine Figuren. Ich identifiziere mich auch nicht mit denen.) Wenn das funktioniert, dann wird es später noch ein paar mehr geben, die die Geschichte gern lesen.





"Was vom Sommer übrig ist" wurde bereits 2012 veröffentlicht. Darin geht es um Louise und Jana, zwei Mädchen, die nicht mal im gleichen Alter sind, die in diesem Sommer aber einen gemeinsamen Nenner finden. Ein Roman über Selbstfindung und Freundschaft, über Trauer und Erinnerung. Ein sehr eindrückliches Leseerlebnis.
Der für mich schwierigste Roman der Autorin war "Marienbilder". Ein sehr literarisches und nachdenklich stimmendes Buch, das Hauptprotagonistin Mareike diverse Wege aufzeigt, bzw. Richtungen, wie ihr Leben verlaufen könnte. Die Handlung musste ich gegen Ende oftmals interpretieren und hatte danach großes Redebedürfnis.

Im Grunde habe ich meine Lesereihe von Tamara-Bach-Büchern von hinten aufgezäumt. "Marsmädchen" erhielt 2004 den Deutschen Jugendliteraturpreis und auch "Busfahrt mit Kuhn" gehört zu den ersten Werken der Autorin. Beide Bücher habe ich zuletzt gelesen. Sie sind als E-Books erhältlich und haben mir nochmals eine differenzierte und intensive Sicht auf die Handlung ermöglicht.

   


Das war es, mein wahrhaftiges Leseerlebnis mit sechs Büchern von Tamara Bach. Für mich waren sie alle eine Bereicherung, aber auch Herausforderung im Jugendbuch. Zu empfehlen sind sie für Leser, die gerne ganz nah am Geschehen sind und einen sehr besonderen Sprachstil nicht scheuen. Ein neuer Blick auf Alltagsthemen ist nach dem Lesen garantiert.