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Dienstag, 19. März 2019

"Der Atem einer anderen Welt" von Seanan McGuire



Das Thema
Kinder und Jugendliche sind zu allen Zeiten in Kaninchenlöcher gefallen, durch alte Kleiderschränke ins Zauberland vorgestoßen oder auf einer Dampflok in magische Welten gereist. Aber ... was geschieht eigentlich mit denen, die zurückkommen?
Mit Nancy, die die Hallen der Toten besucht hat und den Rest ihres Lebens am liebsten still wie eine Statue verbringen würde. Und mit Christopher, den Jungen mit der Knochenflöte, der die Toten für sich tanzen lassen kann. Sumi, die das Chaos braucht wie die Luft zum Atmen, weil sie aus einer Unsinnswelt kommt. Oder Jack & Jill, die mit Vampiren und Wissenschaftlern unter einem blutig-roten Mond aufgewachsen sind.
Als sie sich in "Eleanor Wests Haus für Kinder auf Abwegen" treffen, ahnen sie nicht, dass ihnen ihr größtes Abenteuer noch bevorsteht ...


© Klappentext-, Cover- und Zitatrechte: FISCHER Tor


"Ich werde mich nicht hinstellen und behaupten, die Tür ist für immer geschlossen, denn da kann man nie sicher sein. Aber eins steht fest: Ihre Chancen, überhaupt durch eine Tür zu gehen, standen nie gut, und jetzt stehen sie noch schlechter. Der Blitz schlägt nie zweimal an derselben Stelle ein, heißt es. Nun, die Wahrscheinlichkeit, dass Sie zweimal vom Blitz getroffen werden, ist weit höher als die, dass Sie eine zweite Tür finden". - S. 56


Das Leseerlebnis
Soviel kann ich jetzt schon sagen; mein erstes Buch von Autorin Seanan McGuire hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Dabei war mir nicht ganz klar, um was es in "Der Atem einer anderen Welt" genau geht. Stichworte wie 'Alice im Wunderland', 'Magische Welten' oder 'Zaubertüren' mussten genügen. Doch das reichte, und das Buch hatte sich meine Aufmerksamkeit gesichert. Es ist schwer auszudrücken, was ich beim Lesen empfand, denn so stark hat mich schon lange kein Roman mehr in seinen Bann gezogen. Meine Gefühle schwankten zwischen Begeisterung, Bestürzung und auch Grusel. Ein wirklich geniales Leseerlebnis.

Der recht umfangreiche Roman besteht aus drei Novellen, die jeweils etwa ein Drittel des Buches ausmachen. "Der Atem einer anderen Welt" enthält also keine fortlaufende Geschichte, sondern drei, jede für sich allein stehende (Kurz)-Geschichten. Und doch hängen sie auch zusammen, bzw. besitzen Überschneidungen.
Die erste Geschichte Der Atem einer anderen Welt handelt von Nancy, die durch eine Tür in eine magische Welt gelangt ist, nun zurückkehrte und sich in unserer Welt kaum mehr zurecht findet. Die Hallen der Toten sind ihr Zuhause, und sie möchte unbedingt dorthin zurück. Für Kinder wie Nancy, die eine Tür zurück suchen, gibt es eine Art Internat, geführt von Eleanor West. Sie hilft diesen Kindern, die von ihrer Familie meist abgelehnt werden. Als Nancy in der Schule von Eleanor West ankommt, hat sich keine Ahnung, wie groß das Abenteuer sein wird, das sie dort erwartet.

In der zweiten Geschichte Unter einem roten Mond begegnen Leser*innen Jack und Jill, Zwillingsschwestern, die schon aus der ersten Geschichte bekannt sind. Ihre magische Welt gleicht einer düsteren Horrorwelt, in der Jack bei einem Wissenschaftler in die Lehre geht und Jill die Adoptivtochter eines Vampirs wird. Das klingt schaurig und das ist es auch. Schlimme Ereignisse führen dazu, dass Jack und Jill diese Welt wieder verlassen müssen. Doch beide wollen unbedingt zurück.
Als letzte Geschichte ist Süsser Unsinn dran. Die Handlung spielt zuerst wieder in Eleanor Wests Schule. Dort taucht plötzlich aus der magischen Welt Kuchenland ein Mädchen auf, das seine Mutter Sumi sucht. Das Problem ist, dass Sumi vor einiger Zeit (nämlich in der ersten Geschichte) ermordet wurde und es ihre Tochter Rini eigentlich gar nicht geben dürfte. Gemeinsam mit einer Handvoll Schüler*innen macht sich Rini auf den Weg durch verschiedene magische Welten, bis nach Kuchenland, um die Sache in Ordnung zu bringen und den Tod ihrer Mutter rückgängig zu machen.

Jede Geschichte für sich klingt ziemlich abgefahren, oftmals crazy-ungewöhnlich und auch etwas gruselig. Das trifft alles zu, ziemlich genau sogar. Ich hatte niemals den Eindruck, dass eine Geschichte zu kurz war, jede vermittelt den Eindruck eines kleinen Romans. Die Handlug ist sehr spannend, gewöhnungsbedürftig, aber ungemein soghaft und dazu recht schauderhaft, manchmal makaber. Seanan McGuire schreibt sehr hochwertig und akzentuiert, dazu noch wunderbar divers. Dies, im Einklang mit den doch recht gruseligen Geschichten, ist eine hervorstechende Besonderheit. Ich war völlig gefesselt.
Mir persönlich gefielen die ersten beiden Geschichten am besten. Sie waren zwar ziemlich strange, aber sehr perfekt umgesetzt. Die dritte Geschichte war auch gut, konnte mich aber nicht ganz so stark begeistern wie die ersten beiden. Das lag daran, dass ich mit der magischen Welt Kuchenland nicht so viel anfangen konnte. Spannend war sie dennoch. Am Ende war ich sehr ergriffen von dem enthusiastischen Gefühl, das "Der Atem einer anderen Welt" bei mir ausgelöst hat.

Das Fazit
Ich würde gerne noch viel mehr von Seanan McGuire lesen, denn die Begeisterung, die "Der Atem einer anderen Welt" in mir entfacht hat, lässt sich schwer beschreiben. Die drei Geschichten des Romans, jede für sich lesbar und doch zusammenhängend, sind unfassbar gut - aber sehr ungewöhnlich, abgefahren-surreal und gruselig. Der hochwertige Stil und die Vielfalt innerhalb der Geschichten sind ein Genuss. Das Buch ist ein echtes Erlebnis und eine große Besonderheit, die man sich nicht entgehen lassen darf. Lesen! 4,5 von 5 Sterne gibt es von mir.


© Damaris Metzger, www.damarisliest.de


FISCHER Tor (Januar 2019) - Hardcover mit Schutzumschlag, 464 Seiten - 19,99 € [D]
Originaltitel: Every Heart a Doorway + Down Among the Sticks and Bones + Beneath a Sugar Sky - Übersetzt von Ilse Layer