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Montag, 4. Juni 2012

Review zu "Dornenkuss" von Bettina Belitz



script5 (November 2011), Band 3,
Hardcover, 816 Seiten,
19,95 € [D]
www.dornenkuss.com


Elisabeth Sturm hat am eigenen Leib erfahren, welche Gier, welche zerstörerische Kraft und welches Grauen in der Welt der Mahre lauern – und doch hält sie an ihrer Liebe zu Colin fest. Erschöpft und bis ins Mark verletzt, fürchtet und ersehnt sie den Tag, an dem er zurückkehrt und sie sich auf die Jagd nach Tessa machen, der uralten Mahrin, die ihr Glück bedroht.
In Italien hoffen sie, Tessa auf die Spur zu kommen und Hinweise auf Ellies verschollenen Vater zu erhalten. Fast gegen ihren Willen findet Ellie in der Hitze, dem Meer und der Kargheit des Landes die Ruhe, nach der sie sich seit Monaten sehnt, und dankbar gibt sie sich diesem neuen, freien Leben hin. Als von unerwarteter Seite ein Verbündeter auftaucht, scheinen die Antworten auf Ellies Fragen plötzlich greifbar. Aber je tiefer sie in das Geheimnis der Mahre eindringt, desto größer werden Ellies Zweifel: Ist selbst ihre Liebe nicht stark genug, um gegen Colins Hunger zu bestehen?
(Text- und Bildquelle: script5 Verlag)


Meine Meinung
"Dornenkuss" lässt sich in der Tat ganz einfach beschreiben: Über 800 Seiten geballte Emotionen - und die müssen erstmal verdaut werden. Ich knabbere jetzt noch dran ...
Und darum die berechtigte Frage: Wie beschreibt man ein Buch als hervorragend, das nahezu alle Grundemotionen ein einem hervorruft, wie dieses hier? Denn eines muss der geneigte Leser wissen. "Dornenkuss" ist kein einfaches Buch. Wenn man sich darauf einlässt, liest man hier mit allen Sinnen. Dazu gehört ein bedingungsloses Gefesseltsein genauso, wie lesetechnische Durststrecken. Gefühle wie Freude, Verzweiflung und Wut wechseln sich ab, gehen Hand in Hand mit verzücktem Schwärmen und frustriertem Augenrollen.

S. 787
Ich setzte mich still neben ihn, bis ich meine Frage gefunden hatte.
"Wie viel kann ein Mensch ertragen? Wie viel?"
Er überlegte lange, bevor er antwortete, sachlich und durchdacht wie immer.
"Alles, glaube ich, solange man sich sicher ist, das Richtige zu tun. Auf dem richtigen Weg zu sein."
"Hilfst du mir dabei?"
"Immer."

Hauptprota Ellie Sturm ist und bleibt schwierig. Aber ich mag kantige Charaktere und hatte mich darum auch in den beiden Vorgängerbänden gut mit ihr angefreundet - zum Glück! Hätte ich das nicht getan, wäre eines so sicher gewesen, wie die sprichwörtliche Ruhe nach dem Sturm; ich hätte sie erst durchgeschüttelt, dann verkloppt, dann verwünscht und danach das Buch, samt Ellie, mit einem strafenden Blick in die Ecke gestellt. Böse Ellie! Trotzdem ist Ellie für mich kein Anti-Charakter. Ich mag sie nach wie vor, sehr sogar. Ellie gehört zweifelsohne zu den markantesten Personen der Young-Adult-Fantasy. Natürlich ist sie nicht durch und durch schwierig. Ihre Person gestaltet sich etwa wie eine leserische Berg- und Talfahrt. Auf dem Berg kann man viel mit ihr lachen und schmunzeln, versteht ihre Gedanken und fühlt mit ihr, wie selten zuvor. Im Tal dreht sie komplett durch, man versteht sie (und die Welt) nicht mehr, ist mit ihren Gefühlen und den daraus resultierenden Taten regelrecht überfordert. Ja, Ellie polarisiert den Leser ganz schön. Und das ist gut so!

Das Buch kommt mit wenigen Haupt- und Nebencharakteren aus. Alle sind sehr eindringlich und spielen ihre Rolle in der Geschichte perfekt. Hier sollte Tillmann, Ellies bester Freund, eine besondere Erwähnung bekommen. Ich muss zugeben, dass ich in Band 1 "Splitterherz" noch meine Schwierigkeiten mit ihm hatte. Für mich war er ein Indianerles spielender Sonderling, dazu wortkarg und sehr direkt. Band 2 "Scherbenmond" verschafft ihm seine Paraderolle, und in "Dornenkuss" hat er seinen Meister gefunden. Tillmann ist der versteckte Held der Geschichte und das mit Auszeichnung.
Mein persönlicher Held ist und bleibt Colin. Für meinen Geschmack hätte er im Buch ruhig etwas öfter auftauchen dürfen. Szenen mit ihm waren - wie immer - sehr besonders, aber dafür auch schnell vorbei. Colins zweideutiger Humor und sein trockener Sarkasmus zeichnet ihn aus, seine versteckt liebevolle Art gab mir den Rest. In diesem Abschlussband lässt sein Witz und Sarkasmus jedoch stark nach, er ist oft traurig und unzufrieden. Ein ungeheuerlicher Wunsch für sein Leben rückt hier in den Mittelpunkt. Dadurch ist er emotional wie nie. Dinge, die am Ende über ihn offenbar werden, wollen mir immer noch nicht in den Kopf.

Nach noch nicht mal der Hälfte erreicht das Buch einen Höhepunkt, nachdem man sich fragt, was denn jetzt noch kommen soll. Es kommt noch einiges und das nicht zu knapp. Insgesamt ist "Dornenkuss" neben kurzen Verschnaufpausen sehr krass. Teilweise hart, manchmal auch eklig und schwer zu verdauen. Das englische Wort strange oder weird beschreibt das Buch sehr gut.
Die gesamte Splitterherz-Trilogie sind keine Jugendbücher. Auch beim letzten Band verlangen einige Szenen einen gut gefestigten Charakter. Nachahmung verboten! Bettina Belitz geht hier einen sehr ungewöhnlichen Weg. Vieles kommt ganz anders, als man denkt. Sogar der Prolog bekommt nach zwei Dritteln des Buches eine neue Bedeutung.
Dieses Buch war bis dato eines der emotionalsten Bücher, die ich je gelesen habe. Sehr anstrengend, weil es mit einem ständigen Auf und Ab der Gefühle einhergeht. Verwirrende Lesezustände lösen sich am Ende komplett (bis auf dieses Reptiliendings - ein Insider, wer es liest, weiß, was gemeint ist). Richtig heftig kommt es zum Schluss, wo ich teilweise nur noch fassungslos und entsetzt das Geschehen verfolgt habe. Leser, die das Buch so anspricht wie mich, könnten hier die Erfahrung machen, die Geschichte zwischendurch für einige Minuten pausieren zu müssen, um sich zu sammeln. "Dornenkuss" schließt die Trilogie mit einem Ende, das seinesgleichen sucht. Und auch hier noch mal - und das ist gut so!

"Geh nicht, ohne dich von mir zu verabschieden. Denn das würde ich nicht verkraften." - S. 773

Fazit
Wer sich jetzt dabei ertappt, nur das Fazit gelesen zu haben, darf getrost auch noch den Hauptteil lesen. Es wird (lässt man den Klappentext mal außen vor) keine Handlung gespoilert. Meine Leseeindrücke sind hier sehr gefühlsbetont - wie das ganze Buch.
"Dornenkuss" hat mich auf 800 Seiten durch den Mixer gedreht und mich am Ende komplett neu zusammengesetzt wieder ausgespuckt. War ich von "Splitterherz" und "Scherbenmond" schon so einige stürmische Emotionen gewohnt, schießt "Dornenkuss" dann endgültig den Vogel ab. Einige Tatsachen spuken mir auch nach reichlich Abstand noch durch den Kopf. Ein Wahnsinnsbuch!!

Die Splitterherz-Trilogie gehört als Gesamtpaket zu den hochwertigsten YA-Fantasy-Geschichten dieser Zeit ... wenn man bereit ist, sich komplett darauf einzulassen.

© Damaris Metzger, damarisliest.de



Band 3 "Dornenkuss"

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und Downloads unter:
www.dornenkuss.com