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Freitag, 3. Mai 2013

Rezension zu "Über ein Mädchen" von Joanne Horniman



Verlag: Carlsen (April 2013)
Originaltitel: About a Girl
Übersetzer: Brigitte Jakobeit
Reihe: - , ab ca. 14-17 J.
Ausführung: Hardcover/SU, 224 S.
ISBN: 978-3551582713
15,90 € [D]

Genre: Jugendbuch

© Cover- und Zitatrechte: Carlsen Verlag


Das Thema
Anna ist mit 19 Jahren von zu Hause ausgezogen, weil sie wegen diverser Persönlichkeitsprobleme auf eigenen Füßen stehen will. Nun lebt sie, ein paar Stunden von ihrem ehemaligen Zuhause entfernt,  in Lismore/Australien. Dort arbeitet sie in einer Buchhandlung und hat sich eine eigene Wohnung gemietet. 
Doch Anna findet kaum Anschluss und verbringt ihre freie Zeit meist allein. Auf einem kleinen Konzert sieht sie die quirlige Sängerin Flynn und ist sofort fasziniert von ihr. Durch Zufall begegnen sie sich wieder, schließen Freundschaft und Anna verliebt sich Hals über Kopf in Flynn. Auch bei Flynn funkt es - irgendwie. Für Anna bedeutet Flynn alles, trotzdem stöbert sie unerlaubt in Flynns Vergangenheit. So nah sich die beiden einander fühlen, so fremd sind sie sich manchmal. In der recht frischen Beziehung gibt es nicht nur rosarote Verliebtheitsgefühle, sondern auch Ängste, Misstrauen und Unsicherheiten.

Die Rezension

Der Anfang: Heute Morgen bin ich aufgewacht und musste an sie denken. 

Nimmt man den wunderschön gestalteten Roman "Über ein Mädchen" zu Hand, ist einem mit einem Blick klar; das ist ein Mädchenbuch! Vintagestyle, pastellenes Rosa, Teekanne und Rosenmotiv, ja, eindeutig ein Mädchenbuch. Sogar die auf dem inneren Einband aufgedruckten Teeflecken, passen zur Geschichte und fügen sich harmonisch ins Gestaltungsbild.
Aber wo bitte steht, dass es in der Geschichte um eine Liebesbeziehung zwischen zwei Mädchen geht? Nirgends. Flynn könnte auch ein Jungenname sein, und lt. (hinterem und innerem) Klappentext ist nicht ersichtlich, dass dem Roman eine lesbische Liebesgeschichte zugrunde liegt. Wahrscheinlich hat sich der Verlag hier absichtlich bedeckt gehalten und möchte Leser des Buches überraschen. Die Überraschung ist gelungen. "Über ein Mädchen" ist zauberhaft erzählt, konfliktbelastet und wunderschön zugleich.

Denn man kann sich entscheiden, ob man sich verlieben will. Doch sobald man das getan hat und mittendrin steckt, kommt man nicht mehr heraus. Es gibt keinen Weg zurück. - S. 197

Joanne Horniman hat ihre Geschichte in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil erfährt man, wie und wo Anna lebt (aber nicht warum), wie in etwa ihr Alltag aussieht und wie sie Flynn kennenlernt. Im Mittelteil erzählt Anna von früher und warum sie alleine nach Lismore gezogen ist. Personen, deren Namen anfangs zum Beispiel nur erwähnt wurden, werden hier in die Geschichte integriert und man lernt Anna, und auch ihr Umfeld, sehr gut kennen. Im dritten und letzten Buchteil konzentriert sich die Geschichte wieder auf die Beziehung zwischen Anna und Flynn.
Obwohl Anna die Ich-Erzählerin der Geschichte ist, lernt man auch Flynn sehr gut kennen. Beide Mädchen habe eine vorbelastete Vergangenheit, beide sind gewiss keine einfachen Charaktere. Flynn ist sehr besonders. Unbeständig, sonderbar und doch anhänglich. Anna sehnt sich nach einem echten Zuhause mit Beständigkeit und Liebe - mit Flynn. Durch die drei Romanteile ergibt sich am Ende ein rundes Gesamtbild von Annas Situation. Dieser Stil ist perfekt gewählt.

"Über ein Mädchen" ist ein sehr ruhiger Roman. Die Stimmung ist oft schwer, wirkt nachdenklich-bedrückt, dann wiederum auch leicht, fröhlich uns ausgelassen. Erfreulich ist, dass Probleme und Charakterschwächen offen thematisiert und angesprochen werden. Neben den vielen philosophischen Parts enthält die Geschichte sogar Anflüge von Humor.

Er lehnte sich mit der Schulter an das Regal und musterte mich aufmerksam. Er signalisierte mir deutlich, dass er mich attraktiv fand. Wenn ich gewollt hätte, wenn ich anders veranlagt gewesen wäre, hätte ich bestimmt zurückflirten können [...]. Absurderweise hätte ich gern gesagt: "Ich möchte deine Schwester kennenlernen." - S. 58

Jugendbücher dieser Art gibt es nicht viele. Vor allem die Beziehung zweier Mädchen wird ihn Büchern nicht häufig so gefühlvoll thematisiert. Oft wird sie nur erwähnt oder angeschnitten. Dabei verfolgt die Geschichte gar keinen besonderen Zweck. Sie will nicht belehren und sicher keine Toleranz schaffen. "Über ein Mädchen" passiert einfach. Selten fühlt man sich authentischer in die Situation von Anna und Flynn versetzt. Manch unverständliches Verhalten der Mädchen ist dennoch nachvollziehbar. Denn so ist das Leben.

Das persönliche Fazit
Nicht nur optisch traf "Über ein Mädchen" meinen Geschmack. Die Geschichte hatte mich sofort durch ihre Brisanz und ihre gefühlvolle Art. Der ruhige und teils philosophische Erzählstil ist nicht frei von Kummer und Tragik, brilliert aber gleichzeitig durch gewaltige Authentizität. Der Roman ist mit etwa 220 Seiten recht kurz, dafür umso bedeutungsvoller. Nicht einfach, doch wunderschön. Unzweifelhaft ein Glanzstück. 5 Sterne!
Handlung: 5 / 5
Charaktere: 4,5 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5

© Damaris Metzger, damarisliest.de