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Samstag, 22. Februar 2014

Rezension zu "Am Anfang war das Ende" von Stefan Casta



Verlag: Fischer Sauerländer (Februar 2014)
Originaltitel: Den Gröna Cirkeln
Übersetzer: Brigitta Kicherer
Reihe: Band 1/2 (?), ab ca. 12 J.
Ausführung: Hardcover, 432 S.
ISBN: 978-3737350808
16,99 € [D]

Genre: Endzeit Fiction

© Cover- und Zitatrecht: Fischer Sauerländer


Das Thema
Judit und ihre Freunde leben in einer kleinen Stadt, wahrscheinlich in der nahen Zukunft, zu einer Zeit, extremer Klimaschwankungen und Wetterphänomene. Einige Dinge von früher, wie bestimmt Tierarten oder Vögel, gibt es nicht mehr. Trotzdem ist ihr Alltag ist weitestgehend normal. Die Jugendlichen gehen zur Schule, machen erste Erfahrungen mit Liebesbeziehungen und verbringen ihre Freizeit miteinander. Bis zu jenem Tag, an dem es nach einer Hitzeperiode zu regnen anfängt - und nicht mehr aufhört. Judit, David, Dinah und Gabriel werden buchstäblich weggespült. Nach einigen Tagen ist endlich Land in Sicht, die Freunde stranden an einem Ufer. Und hier ereignen sich Dinge, die sich mit logischem Denken nicht erklären lassen ...

Die Rezension

Der Anfang: Es ist Sonntag. Und es ist so krass still, wie es bloß an einem Sonntag sein kann.

Was erwartet man als Leser, wenn man sich das Cover und den Klappentext von "Am Anfang war das Ende" anschaut, bzw. durchliest? Genau, einen Weltuntergangsroman. Einen sehr ansprechenden dazu. Es bietet sich geradezu an, einen Roman der extremen Wetterbedingungen zu schreiben. Gerade heute, da sich jeder Jugendliche gut in dieses Thema hineinversetzen kann. Und mit einem hat der Klappentext definitiv recht. Dieser Roman ist wie eine Flutwelle: aufwühlend und gnadenlos mitreißend. Jedoch unterscheiden sich die Erwartungen am Ende komplett vom Inhalt. Das muss nicht negativ sein. Eines ist aber sicher. "Am Anfang war das Ende" wird einer der ungewöhnlichsten, suspektesten Romane sein, die man bis dato gelesen hat.

  "Zuerst hab ich gedacht, es ist das Klima", sagt Dinah. "Dass das irgendwie endgültig umgekippt ist." 
  Ich nicke. "Ich weiß", sage ich. "Aber da muss irgendwas anderes passiert sein. Das ganze Dasein ist auseinandergebrochen, anders kann ich mein Gefühl nicht beschreiben."
  "Und was machen wir jetzt?", fragt Gabriel und wischt sich mit der Hand den Mund ab. 
  Ich zucke mit den Schultern. "Ich glaube, es kann noch schlimmer werden," sage ich. - S. 203

Anfangs erscheint die Geschichte fast schon gewöhnlich. Es geht um vier Jugendliche und ihren Alltag. Besonders schön ist, dass Judit, die Ich-Erzählerin der Geschichte, jedem Wochentag ein Attribut zuordnet (Samstag ist ein unaufgeregter Tag, weich, freundlich und angenehm. - S. 29) und eine unterschwellige Fürsorge für ihre Freunde, vor allem später, an den Tag legt. Das macht sie sofort liebenswert und auf ihre Art authentisch.
Der Stil ist einfach, aber besonders. Der Umgangston unter den Jugendlichen teils flapsig und umgangssprachlich. Bis hier wirkt die Geschichte darum sehr echt. Nähere Infos über den Handlungszeitraum bekommt man nicht. Der Leser erfährt aber von extremer Hitze oder vielen ausgestorbenen Tierarten. Mehr muss man auch nicht wissen. Im Hinblick auf den Klimawandel kann man davon ausgehen, dass die Geschichte in nicht allzu ferner Zukunft spielt.
Ab einem bestimmten Zeitpunkt beginnt dann der sintflutartige Regen. Judit und ihrer Freunde werden auf einer abgerissenen Holzveranda davongetrieben. Alles plausibel, das muss man nicht hinterfragen, es gestaltet sich wie erwartet. Bis die Jugendlichen an fremden Ufern stranden ...

... so als würden wir uns in einem absoluten Vakuum bewegen. Hier gibt es gar nichts. Keine Laute von Tieren und Vögeln, keine Gerüche, keinen Wind. Fühlt es sich so an, wann alles zu Ende geht? - S. 270

Ab diesem Zeitpunkt wird es dann richtig interessant. Leider größtenteils auf eine völlig abstruse und angstmachende Weise - es ist zum Haare raufen! Dazu muss man anfügen, dass das Spannungslevel und die Ideenvielfalt genial sind. Man ist komplett gefesselt von dieser suspekten Szenerie, rast folglich durch die Seiten und kann das Buch kaum aus der Hand legen. Es gibt Szenen, bei denen man sich richtig gruselt, vor Überraschung die Augen aufreißt, Absätze nochmals liest, sich überlegt, ob man vielleicht etwas verpasst hat oder vor Schreck die Hand vor dem Mund schlägt. Es ist nicht nur zum Haare raufen, es ist faszinierend! Dennoch stellt man sich bei alledem laufend die Frage nach dem Warum. Was will der Autor damit aufzeigen? Wohin führt das alles? Wie hängt alles zusammen? Wann kommt die Auflösung? Wurde diese Geschichte unter Drogeneinfluss geschrieben?

Auf einige dieser Fragen erhält man Antwort, erkennt kleine Zusammenhänge. Wenn aber, etwa 70 Seiten vor dem Ende, noch keine Erkenntnis des "großen Ganzen" in Sichtweite ist, ahnt man schon, dass man diese Reise mit einem großen Fragezeichen im Gesicht beenden wird. Und so kommt es auch ... und ab hier lässt man dann das Haare raufen sein, und ist nur noch frustriert. Zugegeben, man wird sich seine eigenen Antworten suchen, spekulieren oder raten. Stützen kann man sich dabei nur auf die Mutmaßungen von Judit und ihren Freunden. Das ist einfach zu wenig.
Von "Am Anfang war das Ende" gibt es im schwedischen Original noch mindestens einen Fortsetzungsband. Das Buch liest sich aber (irgendwie) abgeschlossen.

Trotz alledem behält nach dem Lesen ein Gefühl die Oberhand. Es ist das Gefühl, ein ganz besonderes Buch gelesen zu haben. Ungeachtet der Fragen und Frustration am Ende. Das ist schwer zu beschreiben, das muss man erleben. Jeder, der gerne über den Tellerrand der "normalen" Jugendliteratur hinausliest, sollte sich von diesem Buch verführen lassen.

Das persönliche Fazit
"Am Anfang war das Ende" hat mich komplett durcheinandergewirbelt. Ich kann mich an kein Buch erinnern, das mich mit solch widersprüchlichen Gefühlen zurückgelassen hat. Ich schwankte ständig zwischen Begeisterung und Verwirrung, zwischen Erklärungen und Frustration. Am Ende war ich so am Anfang - sprich verstört-, dass ich kurzum zum Telefonhörer griff, um mich mit Bücherfreunden auszutauschen. Das passiert nicht oft. Solch angeregte Diskussionen über ein Buch, innerhalb einer Büchercommunity, sind nicht alltäglich. Ich möchte sagen: "Lest dieses Buch, das müsst ihr erleben!", gleichzeitig bin ich unsicher, empfehle es mit deutlichen Einschränkungen. Sicher kann man sich nur in einem Punkt sein, nämlich dass man etwas völlig anderes lesen wird, als man beim ersten Blick auf das Buch erwartet. 3 suspekte Sterne.


Aufmachung: 3,5 / 5
Handlung: 3 / 5
Charaktere: 3,5 / 5
Lesespaß: 3,5 / 5
Preis/Leistung: 3 / 5

© Damaris Metzger, damarisliest.de