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Montag, 24. Februar 2014

Review zu "Verdammt gute Nächte" von Kathrin Schrocke



Fischer Sauerländer (Februar 2014),
Hardcover, 208 Seiten,
12,99 € [D]


Seit wann muss Liebe einen Sinn ergeben?
Jojo ist 15 und zählt zu den einsamsten Geschöpfen auf diesem Planeten. Sein Freund Michael steht auf schlechte Pornos, sein Freund Sushi ist ein adoptierter Japaner und Musterschüler, und seine erste große Liebe Lilli ist – seit einem Monat mit Michael zusammen. Dann taucht plötzlich Puma auf. Sie ist hübsch, cool, witzig und fährt einen roten Alfa Romeo Spider. Aber das Wichtigste ist: Sie nimmt ihn ernst. Die Sache hat nur einen Haken: Puma ist doppelt so alt wie er … (Text-, Cover- und Zitatquelle: Fischer Sauerländer)


Die Zeit surrte zusammen zu dem einen, winzigen Moment im Hier und Jetzt. Ich nahm all meinen Mut zusammen. "Wir spielen um einen Kuss", sagte ich leise. "Wenn ich gewinne, darf ich dich küssen." Nichts. Keine Reaktion. - S. 113


Meine Meinung
Bücher mit Tabu- oder Reizthemen wecken gerne das allgemeine Interesse. Auch meines. Kurios ist, dass die Beziehung zwischen älteren Paaren mit großem Altersunterschied nicht mehr so sehr polarisiert. Vor allem, wenn der männliche Partner einige Jahre älter ist. Wird aber, wie hier, die Liebe zwischen einem 15-jährigen Jugendlichen und einer doppelt so alten Frau thematisiert, ist das heute immer noch eine Art Stilbruch. Bei Geschichten dieser Art kommt es vor allem auf die Umsetzung an. Ist die Geschichte echt oder kitschig? Ermutigend oder abschreckend? "Verdammt gute Nächte" nähert sich diesem Thema auf sehr authentische und gefühlvolle Weise, ist dabei aber erstaunlich direkt. Gegen Ende könnten einige Leser überrascht sein.

Hauptprotagonist Jojo, der 15-jährige Ich-Erzähler der Geschichte, lebt ein behütetes Leben in der bayrischen Provinz. Im Dorf zählen Ansehen, Familie und bestimmt Werte. Es gibt Pfarrfeste und Raiffeisenbank-Tombolas. Jeder kennt jeden. Jojo hängt viel mit seinen Freunden ab, geht mit ihnen zur Schule und zur Chorprobe. Seine erste Liebe Lilli ist seit kurzem mit seinem besten Freund Michael zusammen. Der verschickt an alle Jungs gerne Pornoclips und auch sonst drehen sich viele Gespräche um das für Jugendliche interessanteste Thema der Welt. Die Alltagsroutine wird für Jojo unterbrochen, als Puma, eine Bekannte seiner Mutter, kurzfristig bei ihnen zu Hause einzieht.

Und da sah ich es. Ich sah es in ihren Augen. Eine Sehnsucht, die nicht weniger groß war als meine. Ein Verlangen, das sie unterdrückte, indem sie Wort wie lächerlich gebrauchte und sich doch nur selbst damit betrog. "Ja, wahrscheinlich würde es einen Unterschied machen, wenn du älter wärst", sagte sie leise. - S. 155

"Verdammt gute Nächte" ist ein sehr echter, glaubwürdiger Roman. Ein Roman, wie ihn das Leben schreiben könnte. Niemand im Buch ist perfekt, Fehler führen zu Missverständnissen und zu seelischen Verletzungen. Das betrifft die Jugendlichen untereinander, aber auch die Situation in den Familien. Kathrin Schrocke hat eine wunderbare Art, diese Echtheit in ihre Zeilen zu schreiben.
Außerdem fällt auf, dass die Autorin im Buch sehr offen mit Sexualität umgeht. Gut, die Definition, wann eine sexuelle Handlung tatsächlich Sex, also Geschlechtsverkehr, bedeutet, ist Auslegungssache. Die Sprache, in Bezug auf dieses Thema, ist aber sehr deutlich. Da bekommen junge Leser schon sehr krass gesagt, wie sich der Inhalt der verschickten Pornoclips darstellt und auch der Aspekt der Selbstbefriedigung ist ständig präsent. Aber diese Deutlichkeit gehört zu einem authentischen Roman dazu.

Ich hatte während des Lesens Verständnis. Verständnis für Jojo, aber auch für Puma. Die Annäherung der beiden ist nicht kompromisslos und kitschig, geht nicht so vonstatten, als würde sich keiner Gedanken darum machen. Auch dieser Punkt ist so dargestellt, als könnte das jedem passieren. Einige Handlungen habe mich etwas verblüfft und am Ende war ich richtig überrascht. Das hätte ich in dieser Art ganz sicher nicht erwartet. Der Roman endet an einer perfekten Stelle. Man hat hier die großartige Möglichkeit seinen Gedanken nachzuhängen oder über das Gelesene zu diskutieren.

Fazit
"Verdammt gute Nächte" lenkt die Erwartungen bei diesem Roman vielleicht in eine etwas andere Richtung, obwohl der Titel in der Geschichte Programm ist. Hier geht es um das Leben eines 15-Jährigen im Allgemeinen und seine Annäherung und Liebe zu einer doppelt so alten Frau. Das Buch belehrt nicht, es zeigt nicht auf und gibt keine Ratschläge. Es schildert eine Geschichte, die sich tatsächlich so zutragen könnte und das mit einer glaubhaften Echtheit. Ich habe Jojos Geschichte verschlungen und war sehr froh, dass die Geschichte nicht den Weg des geringsten Widerstands geht. Das Ende empfand ich als sehr überraschend, aber perfekt. Ich habe viel darüber nachgedacht. Ein besonders lesenswertes Buch!

© Damaris Metzger, damarisliest.de