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Donnerstag, 20. Februar 2014

Review zu "Und auch so bitterkalt" von Lara Schützsack



Fischer KJB (Februar 2014),
Hardcover/SU, 176 Seiten,
14,99 € [D]


Dies ist die Geschichte von Lucinda. Lucinda ist schön, lebenshungrig und leuchtet wie ein Stern. So hell und so schön und gleichzeitig Lichtjahre entfernt. Lucinda scheint in einer anderen Welt zu leben, nach eigenen, erbarmungslosen Regeln. Wer Lucinda liebt, muss ertragen, ihr niemals richtig nah sein zu können. So sind Sterne eben. Und manchmal fallen sie vom Himmel und verglühen. Einfach so. (Text-, Cover- und Zitatrechte: Fischer KJB)


Über mir färbt sich der Abend rosarot. Aber es ist nicht mehr mein Himmel. Es ist der von Lucinda und Jarivs. Eine Nacht voller möglicher Geheimnisse zerfällt vor mir zu nichts als blassen Stunden. So ist es immer mit meiner Schwester, wenn sie geht, nimmt sie alle Farben mit sich. - S. 42


Meine Meinung
Alleine von Titel und Cover konnte ich unmöglich auf den Inhalt schließen. Das Buch, mit gerade mal knappen 180 Seiten Umfang, wirkt sehr zart, der Titel poetisch angehaucht. Rückblickend ist die Geschichte sowohl zart als auch sehr gewichtig, der Titel passt meisterhaft. Lara Schützsack hat eine eindringliche Geschichte von sehr hoher Qualität geschrieben, die noch lange nachwirkt.

Malina vergöttert ihre ältere Schwester Lucinda. Sie sieht ihre Schwester als leuchtenden Stern. Unverrückbar, strahlend, aber auch irgendwie unerreichbar. Malina wäre gerne so strahlend wie ihre Schwester, meint sie zu verstehen. Doch dann ist ihr vieles an deren Verhalten auch fremd und etwas unheimlich. Trotzdem hält sie immer zu Lucinda, stellt sich an ihre Seite, wenn diese ihre Macht über Personen ausspielt, die ihr eigentlich nahestehen sollten. Irgendwann geht das Machtspiel Lucindas so weit, dass es kein Zurück mehr gibt. Nicht für ihre Familie, für Jarvis, ihren Freund und auch nicht für sie selbst.

Manchmal begegnet man Personen im Leben, die polarisieren. Man fühlt sich von ihnen angezogen und gleichermaßen abgestoßen. Genau so eine Person ist Lucinda. Einerseits ist sie mutig und sehr taff, andererseits ist sie ganz sicher sensibel, wirkt manchmal verzweifelt, versteckt das aber die meiste Zeit sehr gut. Über einige ihrer Verhaltensweisen und Machtspielchen, ihren Eltern und ihrem Freund gegenüber, konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Sie war mir zutiefst suspekt ... und irgendwann treibt sie es dann auf die Spitze. Wahrscheinlich empfindet Malina ihrer Schwester gegenüber ähnlich. Man hat im Laufe der Geschichte aber den Eindruck, dass sie sich deren "Zauber" einfach nicht entziehen kann, ihr fast schon hörig ist.

Lucinda hat sich oben in ihrem Zimmer eingeschlossen und mir den Auftrag erteilt, das Gespräch der Erwachsenen zu belauschen. Erst wollte ich nicht, aber dann hat Lucinda mir ihren Keinen-Widerspruch-Blick zugeworfen, und ich habe ja gesagt. - S. 139

Mit sich entwickelnder Handlung sucht man verstärkt nach den Ursachen für Lucindas extravagantes und schwieriges Verhalten. Wer daran "Schuld" ist, konnte ich für mich nicht festlegen. Ihr Umfeld, ihre Familie - alles scheint relativ normal und unauffällig zu sein, bis auf die Tatsache, dass die Mädchen ihre Eltern beim Vornahmen nennen. Doch auch dies ist nicht komplett ungewöhnlich. Lucindas Verhalten und Denken ist tatsächlich krankhaft, persönlichkeitsgestört. Sie kommt mit sich nicht zurecht. Und wo die Seele leidet, leidet auch der Körper.
Wie alt die Mädchen sind, wird nicht beschrieben (etwa 12 und 16?), auch der genaue Handlungsort ist nicht klar (wahrscheinlich Deutschland).

Einfühlsam und klar, dennoch stellenweise ungewiss, schildert die Autorin die Geschichte, mit einer Zeitspanne von ein paar Monaten. Man begleitet die Schwestern und ihre Familie durch die turbulente, mal ruhige, teils verstörende Zeit. Der Schluss ist schon bald unausweichlich, am Ende bleibt dennoch Raum für eigene Interpretationen. Hilfe oder konkrete Verhaltensvorschläge zum Umgang mit schwierigen Jugendlichen gibt der Roman nicht. Aus seinem Strudel wird man nur langsam wieder auftauchen. 

Fazit
Immer wieder bin ich erstaunt, wie viel Ausdruckskraft manche Autoren zwischen so wenige Seiten packen können. Ein Kunststück, das anderen bei doppeltem Umfang nicht gelingt. "Und auch so bitterkalt" habe ich fast am Stück gelesen, die Geschichte hielt mich die ganze Zeit über fest, ließ mich auch nach dem Ende nicht richtig los. Den Kopf noch immer voller Gedanken zählt das Buch für mich zu den besonderen, dramatischen Kostbarkeiten der Literatur. Eindrucksvoll!

© Damaris Metzger, damarisliest.de