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Mittwoch, 19. März 2014

Rezension zu "Vor uns die Nacht" von Bettina Belitz



Verlag: script5 (März 2014)
Originaltitel: -
Übersetzer: -
Reihe: -
Ausführung: Hardcover/SU, 384 S.
ISBN: 978-3839001592
17,95 € [D]

Genre: Liebesroman

© Cover- und Zitatrechte: script5 Verlag


Das Thema
Pfarrerstochter Ronia lebt mit ihrem besten Freund in einer WG. Abgesehen davon hat die 21-Jährige kein Glück mit Männern. Keine ihrer Beziehungen hält lange, bevor die jungen Männer sich wieder von ihr trennen. Ausgerechnet an Weihnachten wird Ronia von ihrem derzeitigen Freund verlassen. Um nicht ständig daran denken zu müssen, beschließt sie, nach dem Weihnachtsessen bei ihren Eltern, noch in der Stadt auszugehen. Dort lernt sie den 19-jährigen Jan kennen, dessen schlechter Ruf ihm vorauseilt. Ronia ist von ihm fasziniert. Der Illusion einer verträumten Beziehung will sich Ronia diesmal aber nicht hingeben, sie möchte unverbindlich und frei bleiben. Nichts anderes erwartet sie von Jan. Es beginnt ein explosives und nervenaufreibendes Spiel, bei dem Ronia beinahe die Kontrolle verliert.

Die Rezension

Der Anfang: Für einen Flügelschlag unserer Seelen halten wir inne. Zeit löst sich auf. Alles wird ewig.

Bettina Belitz' Bücher für junge Erwachsene haben alle eine besondere Eigenschaft. Sie saugen den Leser ein, lassen ihn (mit)fühlen und gehen tief in den Bauch. Ob Fantasy oder zeitgenössischer Roman, einfach sind die Bücher nicht. Die Hauptprotagonisten polarisieren und sind sehr nahe am Leben entworfen, weshalb sie oft recht schwierige, echte Charaktere sind. "Vor uns die Nacht" heißt die aktuelle Liebesgeschichte der Autorin, die für gehörig Bauchkribbeln sorgt, dem Leser einiges abverlangt und alles zurückgibt.

Mein Herz verliert seine nächtliche Starre, wird weit und groß, sobald ich mich traue zu lesen, was er geschrieben hat - kurz nach Mitternacht, genau zu dem Zeitpunkt, in dem mich meine Träume zu sich geholt hatten und ich schwerelos, hell und leicht wurde. - S. 161

Ein Mädchen ist von einem Jungen fasziniert. Nach nur einem Blick und ohne mit ihm zu reden. Ja, das gibt es. Und so geht es auch Ronia, als sie Jan zum ersten Mal sieht. Was sich etwas nach Klischee anhört, erscheint im Laufe der Geschichte jedoch als sehr realistisch. Das könnte jedem vom uns passieren.

Ich-Erzählerin Ronia ist behütet aufgewachsen, sehr christlich und formell erzogen worden. Bei ihren Beziehungen neigt sie jedoch zu unüberlegtem Quasseln und ebensolchen Handlungen. Sie hat kein Glück mit Männern, wird immer wieder schnell verlassen. Ist es da so verwunderlich, dass sie sich in einen wunderhübschen Kerl verguckt? Dass ihr sein Ruf egal ist und sie diese Verbindung frei und unverbindlich führen will? Leider kann man Gefühle nicht austricksen und so merkt Ronia bald, dass ihr gerade das Unverbindliche nicht genügt.
Jan erscheint zuerst als klassischer Bad Boy mit zweifelhaftem Ruf, doch hinter seinem Charakter steckt mehr. Obwohl er anfangs nicht viel redet, ist man augenblicklich von ihm fasziniert. Bei vielen Vermutungen, die Ronia über ihn anstellt, liegt sie komplett falsch und gefühllos ist er keineswegs. Trotzdem ist Jan weit davon entfernt konventionell zu sein. Einige seiner (manchmal spirituell angehauchten) Ansichten über Beziehungen werden nicht unbedingt die Meinung jedes Lesers widerspiegeln. Aber gerade dieser Blick über den Tellerrand, macht die Geschichte zu etwas sehr Besonderem. Auch nach dem Lesen hat man den Wunsch, mehr über Jan zu erfahren.

Neben der anders gefühlvollen, für Ronia turbulenten Lovestory und einem wirklich gelungenen, wohl dosierten Humor - Stichwort: Übersprunghandlung -, hat die Autorin noch eine sehr knisternde, erotische Komponente in die Geschichte integriert. In dieser Art ist das für die Zielgruppe nicht oft zu finden, die Umsetzung ist aber genau richtig. Manche (nicht nur schriftlich ausgetauschten) Sätze sind wirklich heiß, die Verhaltensweise darauf aber immer natürlich. Das kann man vor allem an Ronias Reaktionen erkennen. Wenn Ronia und Jan aufeinandertreffen vibrieren die Seiten. Die Stimmung zwischen ihnen ist mit Händen zu greifen.

"In meinen Armen kannst du nicht fallen." Er gehört gestraft und gefoltert für diesen Satz, bis an sein Lebensende, denn ich werde ihn bis an mein Lebensende nicht vergessen können. Niemals. Diese Worte haben sich gerade in meine Seele gefressen. - S. 235

Obwohl "Vor uns die Nacht" kein Fantasyroman ist, hat die Geschichte an manchen Stellen eine feine mystische Ebene. Das zeigt sich dadurch, wie manche Dinge von Personen wahrgenommen werden oder Empfindungen da sind, die man nicht recht erklären kann. Aber so funktioniert das Leben. Nicht alles ist festgeschrieben.
Im letzten Buchdrittel wird Ronia von ihren Gefühlen eingeholt. Sie verliert beinahe die Kontrolle und trifft konsequente Entscheidungen, die ihr helfen sollen, ihr Leben wieder in sichere Bahnen zu lenken. Zusätzlich wird sie mit Dingen konfrontiert, die sie komplett aus der Bahn werfen. Ronias innere, empfindsame Monologe begleiten einen die ganze Story hindurch bis zum Schluss. Man könnte sich die Frage stellen, ob der Roman auch ohne ein spezielles, dramaturgisches Element funktioniert hätte. Sei's drum. Hier lohnt sich das Durchhalten, denn das Ende ist wunderbar und richtig - aber nicht konventionell, genau wie Jan und Ronia eben.

Das persönliche Fazit
"Vor uns die Nacht" hat es, ganz eindeutig. Dieses "Belitz-Feeling", das allen Romanen der Autorin anhaftet, obwohl das Buch eigenständig ist und nichts mit den früher erschienenen Werken zu tun hat. Für mich hat sich schon nach dem zauberhaften Prolog gezeigt, dass dieses Buch gold wird. Und so kam es auch. Ich war hingerissen! Die vereinnahmende Sprache, die teils kein Blatt vor den Mund nimmt, dabei aber immer natürlich bleibt. Die prickelnde Handlung, bei der sich mir vor elektrisierender Spannung die Haare im Nacken aufstellten. Die originellen Charaktere, die nicht einfach sind, die mich forderten und mir das Gefühl gaben, diese Geschichte könnte jedem passieren. Die Story ging mir sofort in den Bauch und am Ende tief ins Herz. Das alles lässt summa summarum nur ein Fazit zu: Ein Lieblingsbuch!


Aufmachung: 4,5 / 5
Handlung: 4,5 / 5
Charaktere: 5 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5

© Damaris Metzger, damarisliest.de