Dieser All Age- und Jugendbuchblog wurde beendet. Schau dich jedoch gerne um! Infos dazu gibt es HIER.

Donnerstag, 27. März 2014

Review zu "Letztendlich sind wir dem Universum egal" von David Levithan



Fischer FJB (März 2014),
Hardcover/SU, 400 Seiten,
16,99 € [D]


Jeden Morgen wacht A in einem anderen Körper auf, in einem anderen Leben. Nie weiß er vorher, wer er heute ist. A hat sich an dieses Leben gewöhnt und er hat Regeln aufgestellt: Lass dich niemals zu sehr darauf ein. Falle nicht auf. Hinterlasse keine Spuren.
Doch dann verliebt A sich unsterblich in Rhiannon. Mit ihr will er sein Leben verbringen, für sie ist er bereit, alles zu riskieren - aber kann sie jemanden lieben, dessen Schicksal es ist, jeden Tag ein anderer zu sein? (Cover-, Text- und Zitatrechte: Fischer FJB)


Kein Leben ist real, wenn niemand um seine Realität weiß. Und ich will, dass mein Leben real wird. - S. 117


Meine Meinung
David Levithan gehört zu den bekannten Jugendbuchautoren. In einer bedeutenden Weise schreibt er Romane über das Erwachsenwerden, Anderssein, (erste) Liebe und Musik. Mit "Letztendlich sind wir dem Universum egal" ist nun sein neuer Jugendroman erschienen. Viele von Levithans Grundthemen beinhaltet auch dieses Buch, doch es ist das Anderssein, das diesen Roman zu einem echten Treffer macht. Das Buch beschäftigt sich mit der Grundfrage, ob man jemanden aufrichtig lieben kann, der täglich komplett anders aussieht, nicht auf ein bestimmtes Geschlecht festgelegt ist und innerlich doch immer gleich und beständig ist. Eine Geschichte in dieser Art hat man vielleicht vorher noch nie gelesen.

Soweit ich das feststellen kann, sind alle, in die ich schlüpfe, so alt wie ich. Ich springe nicht von sechzehn zu sechzig. Im Augenblick bin ich nur sechzehn. Keine Ahnung, wie das funktioniert, oder warum. Den Versuch dahinterzukommen, habe ich schon vor langer Zeit aufgegeben. - S. 8

Dass A täglich in einen neuen Körper schlüpft, bzw. täglich in einem anderen Körper aufwacht, und dabei aber im Wesen immer gleich bleibt, weiß man schon von Klappentext des Buches. Richtig vorstellen konnte ich mir die Sache aber nicht. Wie kann ein Autor dieses Thema für Jugendliche verständlich umsetzen? Umso überraschter war ich, dass David Levithan in seiner Geschichte nicht die kleinste Verständnisschwierigkeit aufkommen lässt. Ab Beginn, und immer wieder zwischendurch, erklärt Ich-Erzähler A, wie er in den Körpern von anderen Jugendlichen lebt (oder leben muss), warum er keinen Einfluss darauf hat, und dass er aufgehört hat, manche Dinge zu hinterfragen, vielmehr als gegeben zu akzeptieren. Alleine das Leben, das A führt, ist beeindruckend-beängstigend und hat bereits mit dem Einstieg ins Buch fasziniert.
David Levithan sagte der Presse, dass er die Idee seines Buches einfach fortführte. Ohne zu wissen, wo er mit seiner Geschichte landen würde. So hatte auch ich das Gefühl, dass die Geschichte im Mittelteil etwas auf der Stelle trat, allerdings ohne etwas von ihrer Brisanz zu verlieren. Ein Punkt der gegen Ende offenbar wird, hilft zwar A eine Entscheidung für sein Leben zu treffen, traf aber in der Umsetzung nicht ganz meinen Geschmack.

Die Geschichte wird im Präsens erzählt. So begleitet man A, wenn er von morgens bis abends in einem fremden Jugendlichen steckt, sich diesem fremden Leben anpasst, um im Alltag des geborgten Körpers kein Durcheinander zu erzeugen. A ist ein richtig netter und feiner Kerl, das merkt man sofort. Kerl? Nein, das kann man so nicht festlegen, den A ist geschlechtslos. Er wird mal im Körper eines Jungen und mal im Körper eines Mädchens wach. Er selbst macht auch deutlich, dass für ihn alles okay ist, er sich nicht an ein bestimmtes Geschlecht gebunden fühlt. Gerade dieses "geschlechtslose" machte mir am Anfang gedankliche Schwierigkeiten. Man tendiert während des Lesens einfach immer dazu, sich auf ein bestimmtes Geschlecht festzulegen. Gleich zu Anfang sah ich A darum als Jungen, wahrscheinlich, weil er zu Beginn in einem Jungen erwacht, und sich in dessen Freundin verliebt.

Aber wie soll ich es anstellen, dass sie durch die Grauzone hindurchschaut - ich mit meinem Körper, den sie niemals richtig sehen wird, mit meinem Leben, das sie niemals richtig festhalten kann? - S. 318

A hat sich an sein Dasein gewöhnt, er nimmt es hin, hinterfragt den Grund für seine Körpersprünge nicht mehr. Einfach, weil es schon immer so war. Kompliziert wird die Sache erst, als sich A in Rhiannon verliebt. Erst dann entsteht in ihm der Wunsch zu bleiben. Entweder in einem bestimmten Körper oder die Möglichkeit, dass Rhiannon ihn mit täglich wechselnder Hülle akzeptiert, sein Wesen dem Äußerlichen voranstellt. Doch geht das überhaupt? Kann A seine Bedürfnisse über die der geborgten Körper stellen? Genau das ist der eindringliche und tiefsinnige Kern der Geschichte, der mich fortlaufend und vor allem am Ende sehr rührte. Hier möchte man gleichzeitig lachen und weinen, ich empfand es als perfekt!

Fazit
Ich weiß kaum, wie ich das Buch beschreiben soll. Es gehört sicher zu den eindrücklichsten Jugendbüchern, die ich gelesen habe. Es ist wunderbar, wie der Autor seine Grundidee weiterstricken konnte, und welch berührende und menschliche Geschichte dabei entstanden ist. Einen Punkt gegen Ende fand ich nicht komplett zur Geschichte passend. Weil aber darauf ein großer Wendepunkt gründet, kann ich das für mich einfach so stehenlassen. Die Gedankenwelt von A ist enorm und es gelingt wirklich, ihn als eigenständiges Individuum zu sehen, auch ohne eigenen Körper. Leser von ganz besonderen Geschichten mit Tiefsinn sollten sofort zu diesem Buch greifen. Klasse!