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Donnerstag, 16. Februar 2017

"Sweetgirl" von Travis Mulhauser



Das Thema
Die 16-jährige Percy lebt in den Bergen Michigans. Die Winter dort sind lang und hart. Percy ist oft auf sich allein gestellt, weil ihre drogenabhängige Mutter immer wieder für mehrere Tage verschwindet. Darum ist Percy auch gerade auf dem Weg zur abgelegenen Farm des Drogendealers Shelton. Zwar droht ein Schneesturm, aber Percys Mutter ist dort gesehen worden.
Ihre Mutter findet Percy zwar nicht, stattdessen aber ein vernachlässigtes und halb erfrorenes Baby. Sie kann es unmöglich im Farmhaus zurücklassen und nimmt es mit, um es in ein Krankenhaus zu bringen. Doch dafür muss Percy durch die verschneiten Berge fliehen. Denn Drogendealer Shelton, zwar unterbelichtet, aber gefährlich, ist ihr schon bald auf den Fersen.

© Cover- und Zitatrechte: dtv Verlagsgesellschaft


Eine nackte Glühbirne hing von der Decke und tauchte den Raum in flackerndes, staubiges Licht. Eiseskälte zog durch das offene Fenster herein, und auf dem Fensterbrett und dem Teppich darunter hatte sich schon eine dicke Schneeschicht gebildet. Auf dem Boden lag eine schiefe Matratze, und zwischen der Matratze und dem Heizkörper stand ein Kinderbettchen. Darin lag ein Baby. - S. 18


Das Leseerlebnis
Meist schaffe ich es nicht, Bücher thematisch nach Jahreszeit zu lesen. Bei "Sweetgirl", dem Debütroman von Travis Mulhauser, war das aber fast schon ein Muss. Die Geschichte spielt im Winter, in der Kälte und den verschneiten Bergen von Michigan. Das passte so gut, dass jetzt einfach genau die richtige Zeit für das Buch war. Die Thematik mit dem Babyfund, einer Flucht und dem schwarzen Humor (?) versprachen ein berührendes und etwas anderes Leseerlebnis.

Das Aushängethema von "Sweetgirl" ist wohl, dass Percy ein halb erfrorenes Baby findet. Die Umstände sind schlimm und schwer zu verkraften. Genau dieser Punkt war es auch, der mich sehr berührte und während des Lesens an mir nagte. Percy selbst ist erst sechzehn und kommt aus schwierigen Verhältnissen, vom Rand der Gesellschaft. Es mit der erst 6-monatigen, verwahrlosten Jenna durch einen Schneesturm zu wagen, ist ein mutiges Unterfangen. Percy wird mit ihrer Hartnäckigkeit und ihrem Mut zur Sympathieträgerin der Geschichte. Sie ist das beste Beispiel dafür, dass man einen Menschen nicht nach seiner Herkunft beurteilen sollte. Das Buch ist nicht sehr umfangreich, die Charaktere aber allesamt, ob sympathisch oder nicht, sehr stark beschrieben und vor allem plausibel.

Die Geschichte in ein Genre zu drängen ist schwierig. Sie ist sowohl Drama, als auch Krimi und Unterhaltungsroman mit einem Hauch von Wahnwitz. In puncto Drogen, geht es hart und anschaulich zur Sache, die Auswirkungen liegen auf der Hand. Die Psyche der Konsumenten, vor allem die von Dealer Shelton, ist so gut dargestellt, dass ich darin lesen konnte wie in einem Buch, manchmal jedoch fast schon zu ausschweifend. Zurechnungsfähigkeit geht anders, und genau davon ging auch die größte Gefahr in der Geschichte aus.
Den propagierten Witz und Humor konnte ich im Buch weniger finden. Vielmehr war es stellenweise fast etwas irre und sehr echt - bis zum Schluss. Das sorgt für ein sehr individuelles Leseerlebnis, bei dem die toughe Percy und ihr Einsatz für Sweetgirl Baby-Jenna außergewöhnlich gut gefällt.

Das Fazit
"Sweetgirl" war für mich eine winterliche Leseüberraschung. Die Geschichte hatte mit ihrem Kernthema sofort mein Interesse und berührte mich während des Lesens immer wieder. Witzig fand ich es nicht, vielleicht ist wahnwitzig der bessere Ausdruck, eher etwas irre und skurril. Dafür ist das Buch anrührend und echt, mit Charakteren, die im Gedächtnis bleiben. Damit fliegen die Seiten nur so dahin, man kommt nur schwer davon los. 4 von 5 Sterne vergebe ich.


© Damaris Metzger, www.damarisliest.de


dtv Verlagsgesellschaft (Januar 2017) - Klappenbroschur, 256 Seiten - 14,90 € [D]
Originaltitel: Sweetgirl - Übersetzt von Sophie Zeitz