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Samstag, 21. Oktober 2017

"Hochgradig unlogisches Verhalten" von John Corey Whaley



Das Thema
Solomon muss nie aus dem Haus. Er hat zu essen. Er kann von seinem Fenster die Berge sehen, und seine Schulaufgaben macht er online, mit ungekämmten Haaren und im Schlafanzug. Ernsthafte Probleme hat er eigentlich nicht. Und er hat auch keine schwere Krankheit. Er ist bloß ein neurotisches Vorstadtkind, das da draußen Panikattacken erleidet. Als seine ehemalige Mitschülerin Lisa für einen Psychologie-Aufsatz ein Studienobjekt benötigt, drängelt sie sich in sein Leben. Gemeinsam mit ihrem Freund Clark werden sie zu einem eingeschworenen Trio. Solomon lernt, was Freundschaft ist, und stellt fest, die Welt ist voller guter Gründe, sich aus dem Versteck zu wagen.

© Klappentext-, Cover- und Zitatrechte: Carl Hanser Verlag)


Nach diesem Vorfall ging Solomon Reed nicht mehr zur Upland Junior-High, und wenige Tage später wollte er noch nicht mal mehr aus dem Haus gehen. Es war besser so.
"Es ist besser so", erklärte er seiner Mom, die ihn jeden Morgen inständig bat, sich zu überwinden.
Keine Frage, es war besser so. Seit er elf war, hatte er Panikattacken, die in den letzten zwei Jahren immer häufiger geworden waren - aus alle paar Monate wurde einmal im Monat, dann zweimal und immer so weiter. Als er an dem Punkt war, dass er wie ein Irrer in den Brunnen stieg, hatte er bis zu drei Panikattacken am Tag.
Es war die Hölle.
- S. 10


Das Leseerlebnis
Bücher, die zeigen, dass es Menschen gibt, die anders leben als man selbst, die andere Prioritäten haben oder die mit einer Krankheit zurechtkommen müssen, kann es gar nicht genug geben. Für mich öffnen sie den Blick für das Wesentliche, schüren Empathie oder einfach nur Dankbarkeit. Wenn diese Bücher dann auch noch so humorvoll, klug und gefühlvoll umgesetzt sind wie "Hochgradig unlogisches Verhalten", dann kann ich mir kein besseres Leseerlebnis vorstellten. Die Geschichte hatte mich sofort und bis ganz zum Schluss.

Da ist also der 16-jährige Solomon, der seit drei Jahren das Haus nicht mehr verlassen hat. Gar nicht mehr. Nicht mal für den Garten oder um vor die Haustüre zu gehen. Im Prinzip macht Solomon das auch nichts aus. Ihm geht es gut zu Hause, zusammen mit seinen Eltern. Hier fühlt er sich sicher. Denn Solomon leidet seit seinem elften Lebensjahr an Panikattacken, die für ihn so schlimme Ausmaße annahmen, dass er sich entschieden hat, im Haus zu bleiben.
John Corey Whaley erzählt Solomons Geschichte als eine Art Bericht, sehr offen und deutlich, aber mit viel Witz und auch Charme. Die Dialoge sind köstlich! Ich habe die Entscheidung des Hauptprotagonisten sofort verstanden, mochte ihn auf Anhieb, auch wenn seine Situation sehr außergewöhnlich ist und für die Familie natürlich nicht problemfrei abläuft.

Dann tritt eines Tages Lisa in Solomons Leben. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, seine beste Freundin zu werden ... und das ist für Außenstehende jetzt sehr hart, aus komplettem Eigennutz. Lisa möchte Psychologie studieren. Für ihre Bewerbung muss sie einen Aufsatz über einen "besonderen Fall mit einem psychisch kranken Menschen" schreiben. Da ist Solomon, der wegen Panikattacken aus der Schule verschwand, ihr perfektes Studienobjekt. Und, ach ja, helfen will sie ihm natürlich auch. Ab und zu meldet sich zwar ihr schlechtes Gewissen, doch Lisa verliert ihr Ziel nie aus den Augen, redet sich selbst gut zu, dass sie beide von diesem "Freundschaftsprojekt" profitieren.
Für mich war Lisa zwar nicht direkt unsympathisch, ich fand sie raffiniert, ihre Art, bzw. ihre Absichten sind mir aber sehr sauer aufgestoßen.

Die ganze Geschichte läuft natürlich nicht, wie (von Lisa) geplant, und auch Solomon findet sich plötzlich in einem für ihn ganz neuen, und erstaunlich positiven Lebensabschnitt wieder. Denn die beiden, und Lisas Freund Clark, werden unerwartet dicke Freunde. Dass das nicht ohne Komplikationen verläuft, kann sich jeder schon vor dem Lesen ausmalen. Es geht für alle drei darum, das Richtige zu tun und aus der eigenen Komfortzone zu treten oder Fehler einzusehen. Eine Geschichte, die mit einem solch realistischen, persönlichen Thema so gut unterhält, empfinde ich als große Kunst. Für mich war das Buch ein Lesefest!

Das Fazit
"Hochgradig unlogisches Verhalten" ist ein Buch über authentische Freundschaft und Selbsterkenntnis, die aus einer anfangs unaufrichtigen Beziehung entstehen. Autor John Corey Whaley hat eine inbrünstige und warmherzige Geschichte geschrieben, die mich komplett für sich vereinnahmt hat und mit einem pfiffig-klugen und wortgewandten Humor begeisterte. Ich würde es ewig bedauern, wenn ich das Buch nicht gelesen hätte. Ganz große Klasse und eine echte Herzensgeschichte!


© Damaris Metzger, www.damarisliest.de


Carl Hanser Verlag (Juli 2017) - Hardcover mit Schutzumschlag, 240 Seiten - 16,00 € [D]
Originaltitel: Highly illogical behavior - Übersetzt von Andreas Jandl - ab 13 Jahren