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Mittwoch, 16. November 2011

Rezension zu "Der Fluch von Scarborough Fair" von Nancy Werlin


Verlag: cbt (August 2011)
Originaltitel: Impossible
Übersetzer: Gabriele Burkhardt
Reihe: - , ab ca. 13-16 Jahren
Ausführung: Taschenbuch, 384 Seiten
ISBN: 978-3570307175
8,99 € [D]


Genre: Urban-Fantasy


Klappentext
Ein jahrhundertealter Fluch, drei mysteriöse Rätsel – und eine große, wahre Liebe

Ein furchtbarer Fluch liegt auf den Scarborough-Frauen: Sie alle bekommen mit achtzehn eine Tochter – und verfallen dem Wahnsinn ... Lucy Scarborough ist süße siebzehn, als sie davon erfährt. Und nicht bereit, sich ihrem Schicksal zu ergeben, auch wenn es aussichtslos erscheint. Denn nur wenn sie drei mysteriöse Rätsel lösen kann, ist der Bann gebrochen. Aber Lucy ist nicht allein. Zusammen mit ihrer großen Liebe Zach kämpft sie verzweifelt um ihr Leben. Doch das Böse ist jahrhundertealt, skrupellos und unwiderstehlich ...

Über die Autorin
Nancy Werlin wurde in Peabody, Massachusetts, geboren. Sie hat in Yale Anglistik studiert und arbeitet heute als technische Redakteurin und freie Jugendbuchautorin. 1999 erhielt sie den Edgar Award in der Kategorie bester Roman für Junge Erwachsene, 2006 wurde sie mit The Rules of Survival für den National Book Award nominiert. Nancy Werlin lebt in Boston.

Rezension

Der erste Satz: Am Abend von Lucy Scarboroughs siebtem Geburtstag, ... bekam Lucy ein letztes, unerwartetes Geschenk.

Das Buch, bzw. die Geschichte gründet auf die Ballade von Simon & Garfunkel "Scarborough Fair". Francis J. Child hat im 19. Jahrhundert zahlreiche Versionen der Originalballade aus dem Jahr 1670 "The Elfin Knight" (Der Elfenritter) gesammelt, von der es verschiedene Versionen gibt. Nancy Werlin hat sich für eine davon entschieden, auf die sie ihre Geschichte aufgebaut hat.
Als Inhaltsangabe reicht der Klappentext aus. Er spricht für sich und soll hier nicht mehr ergänzt werden.

"Der Fluch von Scarborough Fair" ist anders. Würde man nicht wissen, dass man ein Fantasybuch liest, könnte man meinen, die Geschichte handelt von einer relativ normalen 17-jährigen, die seit ihrer Geburt bei Pflegeeltern aufwächst, einen besten Freund hat, zur Highschool geht und sich mit den Sorgen und Nöten einer Heranwachsenden beschäftigen muss.
Aber Lucy Scarborough ist tatsächlich verflucht, wie alle ihre Vorfahrinnen. Der Umstand des Fluchs, das Gedicht "Der Elfenritter", sowie die Art, wie der Fluch über Lucy kommt, lässt jedoch keinen Zweifel an der Tatsache, dass man einen Urban-Fantasy Roman liest. Die Idee dahinter ist genau so brillant wie originell. Ob die Umsetzung es auch ist?

Lucy streckte den Zeigefinger aus und berührte ganz sachte die Nase des Mädchens im Spiegel. Halt durch, flüsterte sie lautlos. Weine nicht. Lass sie in dem Glauben, dass du glücklich bist. Einfach ein Mädchen, das auf einen Ball geht. Sie brauchen das. Sei ganz ruhig. Du kannst sowieso nichts tun. S.44

Frau Werlin bedient sich hier des auktorialen Erzählstils (allwissender Erzähler). Das heißt, der Leser kennt die Gefühle von mehreren Personen, und springt, auch manchmal innerhalb eines Kapitels, zur Sicht mehrerer vorkommender Personen (deutliches Beispiel: Lucy sieht blass und ängstlich aus, dachte Zach. Zach sieht müde und besorgt aus, dachte Lucy. S. 326). Viele Leser können sich mit diesem Erzählstil am wenigsten anfreunden, da er etwas sprunghaft erscheint und man sich ständig auf die Gefühle einer neuen Person einstellen muss. Bei dieser Geschichte hat es dir Autorin jedoch genau richtig gemacht. Kurze, deutliche Sätze prägen sich sofort ein. Man erkennt die Sichtweisen von mehreren Personen sehr gut und kann sich so in die ganze Situation gut hineinversetzten. Das Buch liest sich komplett flüssig und ohne Verständnisprobleme.

Die Charaktere sind allesamt anschaulich und gut dargestellt. Besonders gut gefallen Lucy und ihr Freund Zach. Namen wie Soledad (Lucys Pflegemutter) und Padraig (Krankenhausmitarbeiter) sind sehr ungewöhnlich, fallen dadurch aber besonders auf und können dem jeweiligen Charakter gut zugeordnet werden.
Die oft so typische Geheimniskrämerei der Charaktere untereinander fällt in dieser Geschichte (fast) vollständig weg. Lucy vertraut sich (fast) immer ihren Eltern oder Zach an. Die ganze Familie zieht so an einem Strang und hilft sich gegenseitig. Das macht das Lesen nicht unnötig kompliziert, da nicht immer wieder neue "Ich sage das Geheimnis nicht"-Probleme aufgeworfen werden.
Einige Szenen zwischen Lucy und Zach sind sehr süß, nicht überladen, aber doch schön zu lesen. Romantikfans werden sich freuen, Schnulzengegner werden sich daran nicht stören. Ein gutes Mittelmaß.

Das ungewöhnliche am "Fluch von Scarborough Fair" ist die Verbindung von Normalität und Fantastik. Einiges überrascht. So auch die Beziehung von Lucy und Zach, die vom beste Freunde-Status zum beziehungsmäßigen Extrem wechselt (nicht negativ!). Man mag sich kurz wundern, doch die Personen bleiben authentisch. So passt die Situation gut zur Geschichte.
Das Gedicht "Der Elfenritter" und der Fluch an sich sind schon sehr märchenhaft, aber sonst erscheint die Geschichte eher wie ein realistisches Jugendbuch. Selbst dann noch, als es bei bestimmten Geschehnissen eindeutig nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Wie in der Beschreibung erwähnt, muss Lucy drei Rätsel aus dem Gedicht lösen, um vom Fluch befreit zu werden. Diese Konstruktion kennt man aus unzähligen Gebr. Grimm Märchen. So sucht man des Rätsels Lösung ständig zwischen den Zeilen oder erwartet eine Lösung die einer fulminanten Fantasygeschichte würdig ist. Dagegen ist die vorhandene Lösung dann fast schon zu banal. Aber ist nicht die Vermischung von banal-normalen Situationen mit fantastischen Elementen die Kunst der Urban-Fantasy?

Das Buch ist abgeschlossen. Alles in allem wirkt die Geschichte eher märchenhaft, wie typisch fantastisch. Zwar muss man die Fantasy in der Geschichte nicht suchen, sie hält sich aber vornehm zurück.

Persönliches Fazit
Was war er nun "Der Fluch von Scarborough Fair"? Eher Fluch oder eher Segen? Ich gebe zu, ich musste etwas überlegen. Das Gedicht geht mir nicht mehr aus dem Kopf, und ich mochte die Geschichte. Auch wenn sie einige Extreme aufweist. Sie wandelt sich von der unbeschwerten Highschool-Geschichte zur fast schon ernsthaften Teenager-Tragödie. Nachdem sich das Gelesene etwas gesetzt hat und ich die Tatsache bedenke, dass ich die Seiten förmlich verschlungen habe, bekommt "Der Fluch von Scarborough Fair" schlussendlich meinen Segen! 4 Sterne!
Handlung: 3 / 5
Charaktere: 3,5 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5