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Mittwoch, 30. November 2011

Rezension zu "Whisper Island: Sturmwarnung" von Elizabeth George



Verlag: INK (November 2011)
Originaltitel: The Edge of Nowhere
Übersetzer: Ann Lecker-Chewiwi u. Bettina Arlt
Reihe: Band 1, ab ca. 13-16 J.
Ausführung: Hardcover/SU, 448 S.
ISBN: 978-3863960018
19,99 € [D]

Genre: Urban-Fantasy


Klappentext
Die junge Becca King besitzt eine besondere Gabe: Sie kann die Gedanken anderer Menschen lesen. Wie Stimmfetzen aus einem falsch eingestellten Radio dringen sie in ihr Bewusstsein ein. Als sie zur Mitwisserin der skrupellosen Geschäfte ihres Stiefvaters wird, gerät Becca in tödliche Gefahr. Unter neuer Identität flieht sie nach Whidbey Island. Doch selbst in der idyllischen Abgeschiedenheit der Insel findet sie keinen sicheren Schutz vor ihrem Verfolger. (Bild- und Textquelle: Egmont INK)

Über die Autorin
Elizabeth George ist eine der erfolgreichsten internationalen Autorinnen. Ihre Romane um Inspektor Thomas Lynley erreichen regelmäßige Spitzenplätze auf sämtlichen Bestsellerlisten. Elizabeth George unterrichtete viele Jahre lang an der Universität "Creative Writing" und lebt heute auf Whidbey Island im Bundesstaat Washington, USA.
"Whisper Island: Sturmwarnung" ist der Start ihrer ersten Jugendbuchserie. Weitere Bände sind in Vorbereitung.

Rezension

Der erste Satz: Der letzte Tag von Hannah Armstrongs Existenz war zunächst ein Tag wie jeder andere.

Becca King heißt eigentlich Hannah Armstrong. Ihren neuen Namen hat sie ihrer besonderen Gabe zu verdanken. Dank dieser konnte die 14-jährige nämlich "hören", dass ihr Stiefvater seinen Geschäftskollegen umgebracht hat. Seit dem Tag ist Becca in Gefahr und mit ihrer Mutter auf der Flucht. Becca kann die Gedanken anderer Menschen hören. Dieses Flüstern nimmt sie so stark war, dass es sie im alltäglichen Leben sehr einschränkt. Sie kann sich nur mithilfe ihrer AUD-Box, einem kleinen Gerät, ähnlich eines iPods, konzentrieren. Die AUD-Box gibt ein permanentes atmosphärisches Rauschen ab, welches die Gedanken der Menschen um Becca abschirmt. Um nicht von ihrem Stiefvater erwischt zu werden, schickt Beccas Mutter sie nach Whidbey Island. Dort soll sich einen Freundin um Becca kümmern, bis ihre Mutter ihnen eine neue Identität geschaffen hat.
Auf der Insel wird Becca nicht, wie vereinbart, abgeholt. Sie ist völlig auf sich allein gestellt, kann ihre Mutter nicht erreichen, und die Dinge entwickeln sich ganz anders, als geplant.

Frau Georges Schreibstil ist für ein Jugendbuch etwas ungewöhnlich. Es fällt sofort auf, dass sie viele Dialoge erzählt, anstatt mit den Charakteren "live" zu führen (er erzähle ihr, dass ... sie erwiderte darauf ... dann beschrieb er ihr noch ...). Hier ist die Gefahr groß, dass die Protagonisten zu reinen Darstellern degradiert werden und ihre Persönlichkeit nicht ausreichend an die Oberfläche kommt. Ein "Du kannst mir vertrauen!" klingt einfach viel persönlicher als ein Das letzte, was sie ihn von der anderen Seite der Tür sagen hörte, war, das sie ihm vertrauen könne. (S. 283/284). So ist dieser Schreib- und Erzählstil anfangs etwas steinig. Wie bei den meisten Büchern tritt nach ca. einem Drittel ein Gewöhnungseffekt ein. Der besondere Erzählstil fällt dann nicht mehr sehr ins Gewicht und das Buch lässt sich flüssig lesen.

Der eigentliche Grund von Beccas Aufenthalt auf der Insel, nämlich die Flucht vor dem Stiefvater, tritt während der ganzen Geschichte komplett in den Hintergrund. Becca fürchtet sich zwar teilweise, dass er sie aufspüren könnte, und handelt entsprechend, die Haupthandlung wird aber von anderen Dingen beeinflusst. Dreht sich am Anfang noch alles darum, dass Becca sich alleine auf der Insel zurechtfinden muss, lernt sie schon bald den schwarzen Jungen Derric (meistens Derric und manchmal Derrick geschrieben. Was denn nun?) kennen und freundet sich leicht mit ihm an. In seinen Gedanken schnappt sie immer wieder ein bestimmtes Wort auf. Dieses kann sie aber nirgends zuordnen. Derrics Gedanken sind ihr ein großes Rätsel.
Überhaupt scheinen alle Leute, mit denen sie auf der Insel zu tun hat, etwas zu verbergen. Die Autorin versucht so, ein Netz aus Ungereimtheiten zu spinnen, das sich dann zu einem Kriminalfall für Jugendliche entwickelt. Trotz der angebrachten Kritik zum Schreibstil entwickeln die Personen Persönlichkeit. Da die Erzählperspektive teilweise wechselt, kann man sich gut in sie hineinversetzten. Dabei bleibt ihr Handeln aber nie komplett durchschaubar. Der Leser wird neugierig, was sich hinter den jeweiligen Protagonisten verbirgt.

Nachdem in der Geschichte ein Unglück geschieht, wird aus dem anfänglichen "Insel-Survival-Training" ein kleiner Krimi. Die Spannung erhöht sich, scheint aber auf jüngere Jugendliche ausgelegt zu sein. Alle undurchsichtigen Personen werden ins Rampenlicht gerückt. Doch scheint Becca, bis auf die Tatsache, dass sie ihre Herkunft verbergen will, in keiner unmittelbaren Gefahr zu schweben. Hilfe kommt immer prompt und gelingt auch sofort. Spannung ist zwar vorhanden, erinnert aber eher an einen Jugendkrimi auf Diät. Light-Produkte sind ja dafür bekannt, dass sie den Appetit eher anregen, als zügeln. So könnten  jüngere Leser sich durchaus auf Nachfolgebände freuen, ältere Jugendliche, bzw. Krimileser werden sich hier gerne ausklinken.
Die Auflösung des Kriminalfalls ist dann so banal, dass man sich unwillkürlich fragt, ob es das schon gewesen sein kann. Am schlimmsten ist aber die Lösung um Derrics geheimnisvolles Gedankenwort. Hier wurde ein grundlegender englisch-deutscher Übersetzungsfehler begangen, der die Lösung schon fast ins Lächerliche zieht. Wer die englische Sprache auch nur in Grundzügen beherrscht, wird hier frustriert mit dem Kopf schütteln. Schade!

Am Ende erwartet den Leser ein unerwarteter Cliffhanger, der Lust auf den Nachfolgeband machen soll. Alles in allem wirkt der Roman wie ein Krimi für Jugendliche. Das Quäntchen Lovestory, das mit hineingequetscht wurde, ist kaum der Rede wert. Die einzige Fantasykomponente ist Beccas Gabe, die Gedanken anderer Menschen zu lesen. Sie sorgt für einen ordentlichen Lesefluss ohne nennenswerte Längen. Ob die Serie, die lt. Internetrecherche ca. 8 Bände umfassen soll, weiterhin eine treue Leserschaft an sich bindet, bleibt fraglich.

Persönliches Fazit
Könnte man, wie Becca, die Gedanken der einzelnen Leser hören, würden die Meinungen zum Buch wohl unterschiedlicher nicht sein. Ich könnte mir vorstellen, dass es vor allem jüngeren Lesern wirklich gut gefallen wird. Die Buchaufmachung ist herrlich! Hatte ich selbst mich bei "Whisper Island: Sturmwarnung" noch auf einen erstklassigen Herbststurm gefreut, wurde ich nicht mal richtig durchgerüttelt. Die Geschichte ist zwar ständig in Bewegung und frischt teilweise zu leichten Böen auf, insgesamt braut sich jedoch kein echter Sturm zusammen. Die Lösung des Krimifalls ist sogar leider nur ein laues Lüftchen. Darum reicht es für "Whisper Island: Sturmwarnung" nur für verwirbelte 3 Sterne.


Handlung: 2,5 / 5
Charaktere: 3 / 5
Lesespaß: 3 / 5
Preis/Leistung: 3 / 5

© Damaris Metzger, www.damarisliest.de