Buchmessezeit bedeutet gleichzeitig auch Autorenzeit. Die ganzen Buchneuheiten lassen sich auch viele Autoren nicht entgehen. Neben vielen Lesungen hat man teilweise bei Signierstunden die Gelegenheit, ein paar Sätze mit einem Autor zu wechseln.
Umso mehr haben Reni (bei der das Interview HIER ebenfalls veröffentlicht ist) und ich uns gefreut, als wir auf der Leipziger Buchmesse 2012 die Möglichkeit bekamen, uns ausführlicher mit Thriller-Autorin Manuela Martini zu unterhalten. So entstand, mitten im Messetrubel -am Stand des Arena Verlags- ein spannendes und lustiges Interview.
Manuela Martini, 1963 in Mainz geboren, studierte Geschichte und Literaturwissenschaft in Mainz und München. Anschließend arbeitete sie einige Zeit im Werbe- und Dokumentarfilmgeschäft. Nach mehreren Jahren in Australien, lebt sie heute in Spanien und schreibt vor allem Krimis und Romane für Jugendliche und Erwachsene.
© Foto: Erol Gurian, Kurzbiografie/Text: Arena Verlag
Hallo
Frau Martini. Danke, dass wir hier auf der Leipziger Buchmesse ein bisschen mit
Ihnen plaudern dürfen. Gleich zu Anfang, und auch auf die "Gefahr"
hin, dass diese Frage Ihr Leben begleitet: Wie trinken Sie Ihren Martini am
liebsten? Auf Eis? Geschüttelt? Oder doch lieber gerührt? J
(lacht)
Auf Eis, gerührt, mit Zitrone – ohne Olive!!
Messezeit
bedeutet nicht nur Bücher ohne Ende, sondern zuweilen auch Stress und
Kuschelkurs. Wie nehmen Sie als Autorin solch ein gewaltiges Ereignis wahr? Sind sie eher cool oder total aufgeregt, wenn
während einer Thriller-Lesung etliche Augenpaare auf einen Verhaspler lauern?
Erstmal
ist die Messe für mich immer ein besonderer Event, weil ich nicht nur Autoren
treffe, sondern auch viele Leute vom Verlag und meistens auch meine Agentin. Es
ist sozusagen ein Meeting. Außerdem kann man sich auf einer Messe die ganzen
neuen Bücher anschauen und stöbern – wie in einer riesigen Buchhandlung!
Inzwischen
habe ich schon einige Lesungen gemacht, etwas Aufregung ist natürlich immer da.
Das muss ja auch sein, sonst macht es auch keinen Spaß und wäre langweilig.
Aber richtig aufgeregt bin ich eher nicht.
Während
der Messe lesen Sie aus ihrem aktuellsten Jugendthriller "Puppenrache" vor, der teils
auf einer wahren Begebenheit beruht (Quelle: Arena Interview) und u. a. aus der
Sicht eines perfiden Frauenmörders namens Troy beleuchtet wird. Wie muss man
sich ihre Empfindungen während des Schreibens vorstellen? Sind sie da eher
Profi und betrachten das Ganze von außen heraus oder erschreckt es Sie während der
Schreibphase selbst, wie wenig Mitgefühl ihr Bösewicht an den Tag legt?
Das
Schöne am Schreiben ist ja, dass ich mich in jeden Charakter hineinversetzen
kann. In die ganz lieben und braven, in die Opfer und auch in die richtig bösen
und teuflischen. Insofern hat mir auch gerade die Figur von Troy sehr viel Spaß
gemacht, da konnte ich mich mal richtig austoben und richtig böse sein. Das ist
das Schöne, gerade am Krimischreiben. Vielleicht sind gerade auch deswegen
Krimiautoren keine Mörder (lacht).
Die
Umgangssprache wird in "Puppenrache" mitunter sehr jugendlich dargestellt. Troy
zum Beispiel hält sich für einen gerissenen Hund, wirkt aber eher ungebildet –
Puppe ist sein Lieblingswort. Ist das nicht sehr Klischeehaft/Stereotypisch
oder existiert für seinen Charakter ein lebendes Vorbild?
Nein.
Troys Charakter ist, wie andere Charaktere auch, aus ganz verschiedenen
Erfahrungen zusammengesetzt. Dabei spielen persönliche Erfahrungen, Filme,
Bücher, Nachrichten und meine Fantasie eine Rolle.
Auf
die Geschichte in "Puppenrache" bin ich gestoßen, als ich in
Australien war und mich dort mit authentischen Geschichten beschäftigt habe. Da
gab es eine Begebenheit von einem Mädchen, dass in ein Zeugenschutzprogramm
aufgenommen wurde. Die Situation war so ähnlich wie in "Puppenrache".
Sie hat ihren Täter erkannt und ihn der Polizei ausgeliefert. Er kam dann ins
Gefängnis und hat ihr von dort aus gedroht, sich an ihr zu rächen. Das Mädchen
musste dann seine gesamte Existenz ändern und lebte trotzdem in Angst, da der
Täter ja irgendwann auch wieder freikam. Das ist auch das Grundgerüst von "Puppenrache".
Beim
Schreiben wächst die Vorstellung von einer Täterfigur. Seine Sprache und sein
Verhalten.
Soziale
Netzwerke wie Facebook sind in "Puppenrache" nicht ganz unschuldig an Saras stetiger
Flucht unter australischem Himmel. Ist diese virtuelle Gefahr zufällig in die
Geschichte geraten oder steckt dahinter ein aufklärender Gedanke?
Ganz
ehrlich war es zuerst so, dass ich mir überlegt habe, wie kommt der Verräter
aus "Puppenrache" auf Saras richtigen Namen? Nach langem Grübeln bin
ich auf das "böse" Internet, samt Facebook gestoßen. Ich dachte mir,
über diesen Weg könnte so etwas möglich sein. Der Verlag war von dieser Idee,
auch einen unterschwelligen pädagogischen Aspekt in die Geschichte zu bringen,
sehr angetan. Es war aber nicht die Absicht hinter der Geschichte mit erhobenem
Zeigefinger auf Facebook hinzuweisen.
Auf
unseren Literaturblogs haben wir eine Rubrik namens High Five eingeführt. Hier
schreiben wir unsere gelesenen Eindrücke in 5 Sätzen und 5 Adjektiven nieder –
als eine Art übersichtliche Kurzrezension. Wie würden Sie "Puppenrache" spontan
in 5 Adjektiven wiedergeben?
Huch,
Adjektive? Die sollen ja beim Scheiben keine zu große Rolle spielen (lacht).
Hmmm, ("Puppenrache" ist) dynamisch, aufrüttelnd, berührend, nachdenklich machend
und unterhaltend.
Das
Adjektiv spannend habe ich jetzt extra weggelassen, das versteht sich bei einem
Thriller von selbst.
Im
Herbst 2012 erscheint Ihr neues Buch "Wenn es dunkel" wird in der neu
eingeführten Arena Buchsparte X-Thriller. Was ist hier der Unterschied für den
Leser, wenn er Arena-Thriller und die X-Thriller vergleicht?
Die
X-Thriller sind umfangreicher als die Arena-Thriller. Sie haben etwa 100 Seiten
mehr und richten sich an ein etwas
älteres Publikum. Die Arena-Thriller werden so ab 12 Jahren empfohlen, die
X-Thriller etwa ab 14 Jahren. Sie sind auch etwas härtere Thriller.
Wo
machen Sie bei Ihrer Schreibarbeit eine Differenzierung zwischen
"softeren" Thrillern oder der "härteren" Variante, hier
speziell bei den X-Thrillern? Müssen Sie sich bei Thrillern für ein jüngeres
Publikum eher zurückhalten oder sich für spannendere Thriller zusätzliche
Gänsehautszenen ausdenken?
Es
geht bei Thrillern ja gar nicht so oft um das offensichtlich Grausige oder
darum, Thriller härter zu machen. Es gibt auch Thriller, die sind wenig blutig,
man hat aber solche Angst, dass man kaum das Haus verlassen möchte.
Prinzipiell
geht es um das Alter der Buchprotagonisten und mit welchen Themen sie sich
beschäftigen. Das ist, denke ich, das Wichtigste. Dann ergibt es sich von
selbst, dass man die Schreibarbeit auf das Zielpublikum anpasst.
"Wenn
es dunkel wird" ist ein sehr spannendes Buch. Ich hatte viel Spaß es zu
schreiben. Es spielt in Südfrankreich und geht um vier Jugendliche, die im
Ferienhaus der Eltern Urlaub machen, dabei ein seltsames Buch entdecken, usw. –
eine tolle Geschichte!
Seit
einigen Jahren gibt es beim Arena Verlag nun die beliebten Arena-Thriller
getreu dem Motto: Das Böse hat seine guten Seiten. Darunter auch eine
Anthologie mit dem Titel "Totentänze" – mit dabei sind Krystyna Kuhn, Susanne
Mischke, Beatrix Gurian … und natürlich Manuela Martini. Welche guten Seiten
hat solch ein Gemeinschaftsprojekt? Hat man während dieser Zeit guten Kontakt
zu den Kolleginnen oder gestaltet sich die Arbeit eher wie ein einsamer
Schreibtanz mit dem Tod?
Mit
anderen Worten: gibt es so etwas wie eine Familie/Freundschaft unter den Arena-Thriller-Kollegen
oder kennt man sich nur von Buchcovern?
Wir
vier, die diese Reihe auch begründet haben, wir kennen uns persönlich und
treffen uns immer wieder, auch auf Buchmessen. Vor zwei Jahren feierten die
Arena-Thriller ihr 5-jähriges Jubiläum mit einer Veranstaltung, bei der wir
auch waren. Wir stehen also schon miteinander in Kontakt.
Die
Anthologie entstand aber aus vier ganz eigenständigen Geschichten, die jeder
für sich geschrieben hat. Wir standen dafür auch gar nicht miteinander in Kontakt.
Jede von uns hat dafür einen Kurzkrimi geschrieben. Diese sind alle sehr
unterschiedlich, wobei ich kurz nachgefragt hatte, ob mein gewähltes Thema
passt. Nicht dass eine der Kolleginnen dieses vielleicht auch gewählt hatte.
Das war aber nicht so.
Stichwort
Playlist: Diesen Begriff hört man bei Autoren, wenn diese über ihre
Schreibarbeit erzählen, immer häufiger. Andre hingegen brauchen zum Schreiben
absolute Ruhe. Sind Sie kreativer, wenn Sie beim Schreiben Musik hören oder
bevorzugen Sie das "stille Kämmerlein"?
Das
ist ganz unterschiedlich. Es gibt Phasen, da brauche ich absolute Ruhe, da
stört mich dann jedes Geräusch. Dann gibt es wieder Phasen, da brauche ich
Musik, die mich in eine bestimmt Stimmung bringt oder die mich in eine
besondere Atmosphäre gleiten lässt. Dann höre ich auch die ganz
unterschiedlichsten Sachen, von House über Techno bis zur Latino-Schnulze. Das
ist wirklich schön, und ich kann mich damit in völlig unterschiedliche
Stimmungen hineinversetzten und mich in einen bestimmten Schreibrhythmus
bringen.
Wenn
man so viel schreibt wie Sie, braucht man sicher einen ständigen Vorrat an Namen
für die einzelnen Charaktere. Spielen für Sie private Kontakte oder
Bekanntschaften bei der Charakterentwicklung und auch Namensgebung eine Rolle? Oder
sind diese vielmehr rein fiktiv/zufällig gewählt?
Meine
Charaktere setzten sich ja aus ganz unterschiedlichen Eindrücken zusammen. Da
gibt es vielleicht auch Vorbilder, oft weiß ich das gar nicht mehr so genau.
Ich nehme sicher manchmal jemanden war, der dann im Hinterkopf gespeichert
wird. Irgendwann fällt mir dann ein Charakter ein, bei dem ich mich an das
gespeicherte Verhaltensmuster oder Aussehen erinnere. Das weiß ich meist nicht
mehr so bewusst. Es gibt ganz selten mal Fälle, in denen ich eine konkrete
Figur zum Vorbild nehme, teils aus dem öffentlichen Leben, Politiker oder aus
einem Film.
Die
Namen erfinde ich mir. Da schaue ich in Telefonbüchern nach oder suche bei
Wikipedia, zum Beispiel nach einem besonderen Künstler. Oder ich beschäftige
mich mit den Wurzeln meiner Figur und überlege, ob sie vielleicht z.B. einen
irischen Vornamen haben könnte. Der Name muss einfach zur Figur passen.
Es
gibt Autoren, die zunächst in der Real-Life-Literatur unterwegs waren und
plötzlich in phantastische Welten abgetaucht sind. Könnten Sie sich vorstellen
mal einen Roman über Vampire, Engel, Zeitreisen oder über die düstere Welt von
Morgen zu schreiben? Oder denken Sie lieber "realistisch"?
Ich
habe schon öfter darüber nachgedacht, das mal zu versuchen, aber habe mich
dann für ein Nein entschieden. Das ist einfach nicht mein Gebiet. Ich bleibe
lieber beim realistischen Thriller, das liegt mir einfach.
Und
noch ein Stichwort - Zeit: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Lesen Sie selbst
viel, und nehmen Sie sich die Zeit in einem Buchladen zu bummeln, oder
bevorzugen Sie vielleicht den ein oder anderen großen Onlinebuchhändler?
Das
ist eine gute Frage (lacht). Ich lebe ja in Spanien, von daher bin ich recht
eingeschränkt, wenn es um das Schlendern durch Buchhandlungen geht. Das bedaure
ich auch sehr. Ich bin also wirklich auf die Onlinebuchhändler konzentriert und
eben auf die Buchmessen oder Bücher, die ich zur Rezension geschickt bekomme.
Ich
selbst lese auch, würde gerne noch mehr lesen, aber die Zeit reicht einfach
nicht. Leider!
Haben
Sie bei Ihren eigenen Büchern ein Lieblingsbuch? Oder eines, das Ihnen
besonders am Herzen liegt, mit dem sie vielleicht schöne Erinnerungen
verbinden?
Natürlich
liebe ich alle meine Bücher. Es ist aber so, dass meistens das letzte Buch, das
ich geschrieben habe, mir ganz besonders am Herzen liegt. Da ist die Erinnerung
noch am stärksten. Im Moment ist es also "Wenn es dunkel wird".
Nachher habe ich aber auch eine Lesung von "Puppenrache", da erinnere
ich mich dann auch wieder an das Schreiben und die Geschichte und tauche darin
wieder mehr ein. Aber ein richtiges Lieblingsbuch von mir kann ich gar nicht
nennen.
Wir bedanken und ganz herzlich, dass Manuela Martini unsere Fragen so bereitwillig und informativ beantwortet hat. Danke Reni für die tolle Interview-Gemeinschaft. Wir hatten viel Spaß!
© by Damaris liest & Bücherraschung
Bereits erschienene Arena-Thriller der Autorin: