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Donnerstag, 14. August 2014

Review zu "Glücksdrachenzeit" von Katrin Zipse



Magellan (Juli 2014),
Hardcover/SU, 272 Seiten,
16,95 € [D]


Ihr älterer Bruder Kolja ist Nellies Ein und Alles. Gemeinsam trotzen sie der ganzen Welt - zumindest war das einmal so. Jetzt aber ist Kolja nach Frankreich abgehauen, und Nellie beschließt, dass sie was unternehmen muss. Sie macht sich auf, um ihren Bruder nach Hause zu holen. Unterwegs trifft sie die zauberhafte Miss Wedlock, die neben geheimnisvollen Plastiktüten auch noch eine traumatische Vergangenheit mit sich herumschleppt, und den ganz und gar hinreißenden Elias. In Miss Wedlocks pfefferminzgrünem Oldtimer düsen sie nach Avignon, wo sie nicht nur auf einen störrischen Kolja, sondern auch auf eine ganze Horde Drogendealer stoßen ... (Cover-, Text- und Zitatrechte: Magellan Verlag)


Okay. Es kommt, wie es kommt. Und dann reagiert man eben. Aber nicht vorher. Vorher nie. - S. 10


Meine Meinung
"Glücksdrachenzeit" hat nicht nur einen ungewöhnlichen und lustigen Titel, auch die Optik ist zum Knuddeln. Außen und innen, komplett ansprechend! Gleich zu Anfang fragte ich mich, ob der herzliche Buchtitel wohl einen Bezug zur Geschichte herstellt. Ja, das tut er. Und ich kann jetzt schon verraten, dass mich die Geschichte ab Beginn vereinnahmte, zwischendurch überraschte und am Ende atemlos und zufrieden zurückließ. So ist "Glücksdrachenzeit" für mich das perfekte Gesamtpaket. Gestaltung top - Geschichte meisterhaft!

Die Geschichte beginnt damit, dass sich Kolja eines nachts von Hauptprotagonistin Nellie verabschiedet, um für unbestimmt Zeit abzuhauen. Er verlässt die Familie, weil er das Gefühl hat, nicht der Sohn zu sein, den die Eltern wollten, der zu ihnen passt. Nellie fällt in ein tiefes Loch, denn schon immer waren es ihr Bruder und sie, die zusammenhielten. Die Eltern waren dabei zweitrangig. Schon hier gewinnt man den Eindruck, dass innerhalb von Nellies Familie etwas gehörig schief läuft, dass sich die Familie auseinandergelebt hat oder etwas vorgefallen ist, dass diese unsichtbaren Mauern zwischen Kindern und Eltern geschaffen hat. Während des Buches erhält man immer mehr Einblick, und hat am Ende ein vollständiges Bild der Situation.

Nellie beschließt also, ihrem Bruder nachzutrampen. Sie hat zu Hause sonst keine Bezugsperson, fühlt sich einsam und von den Freundinnen und Klassenkameraden geschnitten. Sie schnappt sich Jackson, ihren Hund, und begibt sich auf Spurensuche, immer in Koljas Richtung.

In dieser Nacht sitze ich mit einem wildfremden Jungen auf der Bordsteinkante einer Autobahnraststätte, und es gibt keinen Ort, an dem ich lieber wäre. Denn diese Nacht ist eine Zaubernacht im Niemandsland. Sogar für jemanden der nicht an Magie glaubt. - S. 110

Wen das Buch noch nicht von Anfang an mit seinem auffallenden und speziellen Stil begeisterte (wie mich!), der ist spätestens ab Nellies Aufbruch gefesselt. Was sie erlebt ist abwechslungsreich, bedrohlich, lustig, kurios, herzlich und spannend. Auf unter 300 Seiten gelingt der Autorin ein Meisterstück. Dabei ist nicht jede Person im Buch bis aufs kleinste Detail beschrieben und ausgearbeitet. Sie passen alle perfekt ins Gesamtbild und bereichern den Roman auf ihre ganz eigene Art.
Neben der Hauptgeschichte und den kurzen Rückblenden, die zum Ende hin Nellies Familiensituation verdeutlichen, gibt es noch kurze, hervorgehobene Passagen, die mit einer anderen Person der Erzählung zu tun haben. Zuerst kann man den Inhalt nicht zuordnen, die Auflösung ging mir persönlich sehr nahe und ich habe genau diese Passagen an Ende nochmals zusammenhängend gelesen.

"Glücksdrachenzeit" besitzt ein spannendes und aufwühlendes Finale, dass ich nach den vorangegangenen Erlebnissen gar nicht mehr erwartet hätte. Einige Familienprobleme bleiben offen, doch man hat die Gewissheit, dass Nellie ihre einschneidende Vergangenheit aufarbeiten konnte. Am Ende darf auch noch das Schicksal mitspielen und macht in der Gesamtsicht das Buch perfekt.

Fazit
Ich lese wirklich viel und vieles gefällt mir! Und dann gibt es da noch diese Bücher, die nicht nur äußerlich zucker sind (hey, Rot/Weiß-gepunktet!), sondern deren Inhalt mich so verzückt, dass mein Herz vor Freude hüpft. "Glücksdrachenzeit" hat einen einzigartigen Stil, die Geschichte ein unvergessliche und ergreifende Handschrift. Dieses gewisse Etwas, das dieses Buch erstklassig macht. Am Ende möchte man es, mit der Kenntnis, die man während des Lesens erlangt, sofort noch mal von vorne lesen. Lieblingsbuchstatus!

© Damaris Metzger, damarisliest.de